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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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in seiner Bemerkung. Umso erleichterter war Henrika, dass er ihr Angebot nicht als unverschämt zurückwies. Außerdem hoffte sie, in Barthels Haus herauszufinden, ob er tatsächlich mit ihrer Mutter bekannt gewesen war.
    «Also abgemacht.» Barthel leerte sein Glas und verstaute sein Schreibzeug wieder in seinem Futteral. «Du wirst gleich morgen ins Zollhaus ziehen und dafür sorgen, dass der Schreiber, dieser Gauner, bei seinem Auszug nichts mitgehen lässt. Ich werde inzwischen nach Heidelberg reiten und veranlassen, dass alles hergeschafft wird, was ich brauche, um mich vernünftig einzurichten. Du wirst merken, dass ich nicht ganz einfach zufrieden zu stellen bin. Aber wenn du meinen Anordnungen folgst, wird es dir bei mir nicht schlechter ergehen als bei den Hahns.»
    Henrika nickte, blieb aber skeptisch. Wie es ihr im Haus der Zollschreiberei ergehen würde, blieb abzuwarten. Aber immerhin hatte sie erreicht, dass sie in Barthels Nähe sein konnte, und sie war sicher, dass sie ihm so sein Geheimnis eines Tages würde entlocken können.

5. Kapitel
    «Nein, das kommt überhaupt nicht in Frage. Dass sich dieses Mädchen nicht schämt.»
    Agatha hatte es sich in Elisabeths Kaminstuhl bequem gemacht und tupfte sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Elisabeth stand ihr gegenüber und bedachte sie mit einem Blick, der erkennen ließ, wie wenig Sympathie sie für ihre ältere Schwester empfand. Das hochgeschlossene dunkle Kleid mit dem strengen Kragen, das die Hutmacherin angelegt hatte, wirkte ebenso düster wie der Schankraum, der nur von einer einsamen Kerze beleuchtet wurde. Doch trotz der gedrückten Stimmung konnte sich Elisabeth des Gefühls nicht erwehren, dass Agatha ihren jüngst erworbenen Witwenstand genoss.
    «Ich dulde nicht, dass Henrika unseren guten Namen beschmutzt, indem sie allein in das Haus eines fremden Mannes zieht.»
    «Was geht dich das noch an?», wandte Elisabeth gereizt ein. «Solltest du nicht froh sein, dass du dich nicht mehr um sie kümmern musst? Vergiss nicht: Du hast Henrika vor die Tür gesetzt.»
    Agatha reckte trotzig das Kinn. «Das habe ich nicht. Mir war völlig klar, dass du sie bei dir aufnehmen würdest. Habe ich mich jemals beschwert, weil sie dir im Schankraum half?»
    «Nein, denn ich steckte ihr ja oft genug etwas zu. Apfelwein, Schinken, Käse oder frischgebackenes Brot.»
    «Wie kleinlich, jetzt darauf herumzureiten. Egal. Ich werde nicht zulassen, dass ein Kind, das in meinem Haus aufgewachsen ist und in meiner Werkstatt gearbeitet hat, mich im Dorf lächerlich macht, indem es die Hure eines dahergelaufenen Baumeisters wird. Hast du einmal gesehen, was sich der Mann alles zum alten Zollhaus bringen lässt?»
    Elisabeth ließ sich widerstrebend auf einer der Bänke nieder. Ihre Schwester hatte recht. Seit einigen Tagen holperten schwer beladene Fuhrwerke über den Anger. Zu Beginn hatten sie nur Reisigkörbe geladen, Kisten, Kannen aus Kupfer und hölzerne Zuber, Dinge, die man in einem Haushalt benötigte. Einige Knaben, die beim Abladen helfen durften, berichteten aber auch von sonderbaren Flaschen aus grünem Glas, die sie in die Kellergewölbe tragen mussten. Bei der nächsten Fracht fanden sich kunstvoll gedrechselte Möbelstücke. Während der alte Zollschreiber recht bescheiden gelebt und seine spartanisch eingerichtete Kammer mit rußigen Öllampen beleuchtet hatte, standen an den Fenstern nun Kandelaber aus ziseliertem Silber. Man erzählte sich, der Festungsbaumeister speise von goldenen Tellern, benutze nur feines Silberbesteck und schmücke seine Räume mit Gemälden, weichen Teppichen und flämischen Wandbehängen.
    «Wir müssen sie aus dem Zollhaus holen, bevor ihr Ruf dahin ist», schimpfte die Hutmacherin weiter. «Warum musstest du ihr auch die Tür weisen?»
    «Ach, jetzt bin ich also schuld?», fragte Elisabeth kühl. «Ich durfte nicht zulassen, dass Lutz sich nach ihr verzehrt. Der arme Junge lungert trübselig in der Stube herum und schnitzt Holzfiguren, die Henrika ähnlich sehen. Es ist besser, er schlägt sie sich aus dem Kopf, ehe noch ein Unglück geschieht.»
    «Das wäre gegen Gottes Gebote», gab Agatha zu. «Aber die Leute im Dorf werden es nicht so einfach hinnehmen, dass eine der Ihren Verrat begeht und einem Fremden, der sich unser Land unter den Nagel reißen will, den Haushalt führt. Falls das alles ist, was sie für ihn tut.»
    Elisabeth schloss die Augen, damit sie das Gesicht ihrer keifenden Schwester nicht mehr

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