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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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leer. Nur ein Krämer hatte sich neben dem Kamin die Schuhe abgestreift. Seine Zehen sahen im Schein der züngelnden Flammen rot und geschwollen aus. Henrika unterdrückte ihren Ekel und brachte dem Mann einen Krug Dunkelbier.
    «Habt ihr auch noch etwas zu beißen?», nuschelte der alte Mann.
    Henrika versprach, sich in der Küche nach etwas Essbarem umzuschauen. Sie hatte gerade ein Stück fettes Schweinefleisch vom Bratspieß gestreift, als sie aus der Schankstube die Stimmen zweier Männer vernahm. Beide schienen zornig zu sein.
    «Auf unsere Einwilligung könnt Ihr warten, bis die Hölle zufriert», hörte Henrika einen Mann rufen, als sie mit einem Teller Braten aus der Küche trat. Er klang wütend.
    «Solltet Ihr unser Land nehmen, rufen wir das Reichskammergericht an.» Henrika blieb stehen. Vor dem Tisch, der dem Eingang am nächsten stand, erkannte sie Joseph Litter, den Schultheiß. Litters Büttel, ein ehemaliger Landsknecht, der vor vielen Jahren im Dorf sesshaft geworden war, bemühte sich vergeblich, ihn zu beschwichtigen. Seine düstere Miene verriet, dass er nicht übel Lust verspürte, mit der Faust auf den Tisch zu hauen.
    Hinter dem Tisch standen Barthel Janson, der alte Ortsgeistliche und ein weiterer Mann, der Henrika vage als Zollschreiber im Dienste des Kurfürsten bekannt war. Barthel ließ die Vorwürfe der Dorfleute mit stoischer Ruhe über sich ergehen. Er erhob nicht einmal die Stimme, um Litters Wutausbruch etwas entgegenzusetzen. Als Barthel jedoch Henrika bemerkte, die abwartend mit dem Teller in der Hand dastand, machte er eine auffordernde Handbewegung.
    «Bring uns Wein, Mädchen, wir haben einiges zu besprechen!»
    «Mit Euch und Eurem Sündenzöllner trinken wir nicht», rief der alte Pfarrer mit einem giftigen Seitenblick, der Henrika galt.
    «Ihr habt gehört, was unser Schultheiß gesagt hat. Das Land zwischen Rhein und Neckar gehört uns. Unsere Rechte sind verbrieft und gesiegelt. Natürlich werden wir uns hüten, das Gericht des Kaisers anzurufen …»
    «Davon möchte ich Euch auch dringend abraten», unterbrach Barthel Janson den Geistlichen. «Solltet Ihr versuchen, den Kurfürsten bloßzustellen, wird Euch das teuer zu stehen kommen.» Er nahm Henrika, die sich vorsichtig zum Tisch durchgekämpft hatte, ein Glas aus der Hand und trank gierig.
    «Noch steht Ihr unter dem Schutz meines Herrn, aber das kann sich ändern», sagte der Zollschreiber. «Kurfürst Friedrich   IV. ist einer der vornehmsten protestantischen Herrscher im Reich. Unter seinem Oberbefehl stehen Tausende von Landsknechten, die Eure kostbaren Äcker und Sümpfe im Ernstfall gegen die kaiserlichen Heere verteidigen. Natürlich könnte er auf den Gedanken kommen, dass eine Festung überflüssig sei. In diesem Fall müsste er natürlich für seine Truppen neue Unterkünfte finden.»
    Der Schultheiß verzog abschätzend den Mund. «Neue Unterkünfte?»
    «Er meint Einquartierungen, mein Freund», erklärte Barthel lächelnd. «Ich hoffe, Euren Frauen macht es nichts aus, wenn eine fröhliche Schar Soldaten in ihren Wohnstuben Quartier nimmt und sich auf Eure Kosten verpflegen lässt.»
    «Ihr wagt es, uns zu drohen, Fremder?» Der Pfarrer warf Barthel einen hasserfüllten Blick zu. «Hütet Euch vor dem Zorn Gottes, bevor er Euch wie eine reife Pflaume zermalmt.»
    Litter murmelte etwas in seinen Bart, das aber im nun einsetzenden Stimmengewirr unterging. Ungerührt nahm Barthel Janson Platz, breitete einen Bogen Papier aus und zog ein Futteral mit Schreibfeder und Tintenhorn aus seiner Tasche. Er begann zu schreiben, ohne die Männer, die ratlos und rot vor Zorn vor ihm standen, noch eines Blickes zu würdigen. Erst als sie die Schankstube verlassen hatten, legte er die Feder aus der Hand.
    «Ich fürchte, es wird nicht ganz einfach werden», sagte er wie zu sich selbst.
    Der Zollschreiber nickte. Er sah ängstlich aus, als befürchtete er einen Angriff. «Ihr habt die Männer aber auch gereizt. War es nötig, ihnen mit Einquartierungen und dem Zorn des Kurfürsten zu drohen? Sie könnten uns sehr schaden.» Barthel Janson blickte einen Moment lang schweigend auf das Schriftstück, das er gerade aufgesetzt hatte. Dann zerbrach er mit einem ärgerlichen Laut die Schreibfeder in seiner Hand.
    «Soll ich Seiner Durchlaucht lieber schreiben, dass ich den passenden Ort für seine Festung zwar gefunden habe, mich aber nicht mit dem Schultheiß des Dorfes und einem altersschwachen Pfaffen einigen konnte? Ihr

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