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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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sehen musste. Ihr zuzuhören war anstrengend genug. Ein plötzlicher Schmerz begann in ihren Schläfen zu wühlen; er machte ihren Kopf schwer wie Blei. Henrika war nie eine von uns, überlegte sie. Und in der Zollschreiberei fehlte es ihr an nichts. Das Mädchen hatte gelernt, auf sich aufzupassen, und der gutaussehende Fremde war kein lüsterner Landsknecht, sondern ein vornehmer Edelmann vom Hof des Kurfürsten, dem man den Wohlstand bereits aus der Ferne ansah. Als Elisabeth an das feine Silbergeschirr, an die bequemen Sitzbänkchen und schweren Ölbilder dachte, empfand sie zum ersten Mal im Leben einen Hauch von Neid auf Henrika. Ihr war bewusst, dass das ungerecht war, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren. Henrika und Lutz hatten es beide schwer im Dorf; beide waren sie Außenseiter und hatten sich früh daran gewöhnen müssen, herumgestoßen zu werden. Aber Henrika würde von nun an in einem vornehmen Haus wohnen, während Lutz auf einer Strohschütte hinter dem Schankraum schlief.
    Elisabeth presste die Lippen aufeinander. Aber der Schmerz in ihren Schläfen ließ nicht nach.

    Barthel Janson kam erst zwei Wochen später wieder ins Dorf.
    Er hatte Henrika von dringenden Geschäften erzählt, die keinen Aufschub duldeten, doch Henrika hegte den Verdacht, dass es ihn einfach nicht in seine neue Unterkunft zog, solange diese noch karg und unbehaglich war. Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass es ihr Freude machte, Vorhänge zu nähen, leere Wände mit Behängen zu schmücken, Tische und Bänke blank zu polieren und Lehnstühle mit weichen Kissen zu polstern. Barthel ließ ihr freie Hand, hatte ihr jedoch genaue Anweisungen darüber erteilt, wie sie die verschiedenen Kammern des Hauses einrichten sollte. Im unteren Teil des Hauses ließ sie auf seinen Befehl hin einen Raum mit Stroh auslegen, die Tür zum Innenhof auswechseln und eine Futterkrippe aufstellen, weil Barthel darauf bestand, sein Pferd nicht in einem der abgelegenen Ställe unterzubringen. Gleich neben dem Schuppen sollte ein geräumiger Vorratskeller für Bier- und Heringsfässer, Stangen für Würste sowie ausreichend Platz für Stapelware eingerichtet werden. Ein vernünftiger Vorschlag, denn hier unten war die Luft frisch und kühl. Henrika erhielt ein Protokollbuch nebst Ermahnung, jedes Krümelchen Käse, das durch die Pforte getragen wurde, peinlichst genau zu notieren.
    An den Keller schloss sich eine Waschküche an, in der Henrika zu ihrer Freude eine kupferne Wanne sowie eine Vielzahl von Eimern, Bütten und Schöpfkellen vorfand. Im Haus der Hahns hatte sie einmal im Monat Dutzende von Eimern mit heißem Wasser in die Stube tragen müssen, doch Agatha hatte ihr erst erlaubt, selbst in den Zuber zu steigen, nachdem sie, ihr Mann und die Gesellen ihre Waschungen beendet hatten. Angewidert rümpfte Henrika die Nase, als sie daran zurückdachte.
    Eine breite Treppe führte zu den Wohngemächern und zur Küche. Vor dieser stand ein Schrank aus Eichenholz, in den Henrika Bett- und Tafelwäsche eingeordnet hatte. In der Küche gab es Kannen und Krüge, Gewürzdosen, Teller aus Zinn für feierliche Anlässe und gewöhnliches Tongeschirr für einsame Mahlzeiten. Der Küche gegenüber befand sich der Raum, in dem der Zollschreiber seine Akten gewälzt und Abgaben berechnet hatte. Sein Fenster bot eine hübsche Aussicht auf den Fluss mit seinem Stapelplatz und einen Teil des Dorfangers. Henrika verstand, warum sich Barthel Janson dieses und kein anderes Zimmer für seine Studien ausgesucht hatte. Sie versah den sonnigen Raum sogleich mit einem geschnitzten Pult und einem Schrank für Bücher und Zeichnungen. In einer der Truhen, die Barthel sich aus Heidelberg hatte schicken lassen, stieß sie auf sein Siegel sowie auf Ledermappen mit Dokumenten und Zeichnungen, die sich mit der Baumeisterei befassten. Hastig zu Papier gebrachte Skizzen klärten über Fallbrücken und Rampen auf oder verdeutlichten die Vorzüge diverser Festungsgräben. Am Rand einiger Zeichnungen hatte Barthel kurze Bemerkungen angebracht, die Henrika nicht entziffern konnte. Persönliche Unterlagen oder gar Briefe hatte sie nicht gefunden und die Mappen wieder zurück in die Truhe gelegt.

    «Du hast Geschick und Geschmack bewiesen», lobte Barthel, als sie ein paar Tage später mit seinem Frühstück ins Kabinett trat.
    «Soweit ich es überblicken kann, ist alles dort, wo es hingehört. So lässt es sich selbst in der wüstesten Einöde leben.»
    Henrika

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