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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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war kein Laut zu hören. Wenigstens geht er hin und wieder schlafen, dachte sie. Barthel stand ein ebenso anstrengender Tag bevor wie ihr. Eine Abordnung vom Heidelberger Hof hatte sich angekündigt, die nach allen Regeln der Gastfreundschaft bewirtet werden musste. Die Offiziere und Beamten des Kurfürsten wollten Barthels Pläne begutachten und sich anschließend von ihm durchs Dorf führen lassen.
    Henrika hatte bis in die Nacht hinein Kuchen und Pasteten gebacken, Tafelwäsche ausgebessert und die Dielen gescheuert. Nun spürte sie, wie hungrig sie selbst war. Als sie in der Küche nach einem Kupferkessel greifen wollte, wurde sie plötzlich von einem Geräusch aufgeschreckt. Es kam aus einem der höher gelegenen Stockwerke und hörte sich an wie zerspringendes Glas. Fröstelnd lief sie auf den Flur hinaus und starrte zur Treppe hinüber, deren Holzstufen sich in der Dunkelheit verloren.
    Dem Geräusch zerspringenden Glases folgte ein weiteres. Und es kam nicht aus Barthels Schlafkammer. Irgendjemand schlich draußen ums Haus und gab sich nicht einmal Mühe, leise zu sein. Lautlos schob Henrika den Laden des Fensters ein wenig auseinander, sodass sie hinausspähen konnte. Dort war nichts zu sehen; ein sanfter Wind bewegte die Äste der hohen Ulmen, die auf dem Zollhof neben der alten Waage standen. Gleich dahinter erhob sich die niedrige, von Geißblatt bewachsene Mauer des Zollhofs, auf der eine einsame Laterne flackerte. Barthel hatte den Zollknechten befohlen, dieses Licht aufzustellen und während der Nächte brennen zu lassen.
    Eine Laterne vermochte noch keinen Eindringling abzuwehren, aber Barthel war davon überzeugt, dass niemand es wagen würde, sich der Zollschreiberei oder ihren Nebengebäuden zu nähern, solange er hier wohnte. Offensichtlich hatte er sich jedoch geirrt, denn plötzlich bemerkte Henrika, wie einige Gestalten an der Scheunenwand vorüberhuschten.
    Rasch verließ sie die Küche und eilte die Stufen hinauf. Sie musste Barthel wecken, bevor die Leute ins Haus eindrangen. Er hatte Waffen und wusste sie zu gebrauchen. Gewiss würde es ihm gelingen, die frechen Burschen abzuwehren.
    Noch bevor sie den Treppenabsatz erreichte, zerbarst das hohe Spitzbogenfenster über ihrem Kopf mit einem hässlichen Geräusch. Und damit begann der Aufruhr. Steine schossen mit den Scherben des zerbrochenen Glases ins Innere und regneten auf sie herab. Henrika schrie vor Schreck auf. Mit einem verzweifelten Sprung rettete sie sich vor dem Scherbenregen, der klirrend auf die Treppenstufen schlug. Von draußen hörte sie Rufe, denen dumpfe Schläge gegen das Tor und die Fenster der Küche folgten. Der Hofhund schlug nun doch an, doch sein wütendes Gebell erstarb nach wenigen Tönen.
    So schnell sie konnte, floh Henrika ins Kabinett ihres Herrn, das eine Verbindungstür zu seinem Schlafgemach besaß. Dabei sandte sie ein Stoßgebet zum Himmel, Barthel möge nicht zu betrunken sein, um den Ernst der Lage zu begreifen. Im Kabinett war es eiskalt, denn auch hier waren die Scheiben zerbrochen, und durch die beiden Fenster wehte ein rauer Wind.
    Henrika duckte sich, da noch immer Steine geworfen wurden. Manche prallten von der Hauswand ab, doch einige fanden ihr Ziel und landeten in der Stube. Unter den Absätzen ihrer Holzpantinen knirschten Splitter. Als sie zum Fenster blickte, sah sie den Schein brennender Fackeln und eines größeren Feuers. War das Stroh, das auf dem Karren im Hof lag, in Brand gesetzt worden? Auf dem Weg zu Barthels Schlafkammer gelang es Henrika gerade noch, einer Pechfackel auszuweichen, die plötzlich an ihrem Kopf vorbeischoss und das Pult ihres Dienstherrn traf. Entsetzt sah Henrika, wie die Flammen nach den Büchern und Dokumenten griffen.
    Vor dem Haus wurde das Geschrei lauter, und das Geklapper unzähliger Dreschflegel zog durch die Nacht. In Henrikas Ohren klang es wie ein Schwarm hungriger Krähen, der den Himmel schwärzte. Sie glaubte, ihren Namen zu hören.
    Sie wollten sie. Ihretwegen waren sie gekommen.
    Aus den Augenwinkeln sah sie die Silhouetten einiger Burschen, welche die Mauer des Zollhofs erklommen. Außer sich schrie Henrika nach Barthel, während sie mit einer Decke auf die Flammen einschlug, die sich einen Weg zum Stehpult gebahnt hatten.
    «Verdammt, warum stehst du hier herum wie ein Holzpfahl, anstatt diese Fackel zu löschen, bevor sie alle meine Aufzeichnungen in einen Haufen Asche verwandelt?» Barthel stand plötzlich hinter ihr; er war außer sich vor Zorn.

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