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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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er zur Tür treten wollte, stolperte er jedoch überrascht zurück. Ein Mann stand auf der Schwelle und funkelte ihn grimmig an.
    «Barthel», krächzte Henrika schwach. In ihren Adern pulsierte das Blut, und mit jedem Herzschlag schien sie einer Ohnmacht näher zu kommen, doch beim Anblick ihres Dienstherrn fasste sie wieder Mut. Der Festungsbaumeister kniff die Augen zusammen, während er auf den schwachsinnigen Jüngling zulief. Sein Gesicht war von Schlägen gezeichnet, seine bloßen Füße schienen in Blut zu schwimmen. «Lass sie auf der Stelle runter, oder ich schieße dich über den Haufen.»
    «Nein», riefen Lutz und Henrika wie aus einer Kehle.
    «Ich werde nicht zulassen, dass du das Mädchen aus meinem Haus entführst.»
    Lutz sah aus, als überlege er. Dann setzte er Henrika unsanft ab. Während Lutz die Arme ausbreitete, bedeutete Barthel Henrika mit einer knappen Handbewegung, sich zur Treppe zu begeben, doch diesen Augenblick der Unachtsamkeit nutzte Lutz aus, um sich nun auf den Festungsbaumeister zu stürzen. Brüllend versuchte er, ihm die Waffe zu entreißen. In dem anschließenden Gerangel hielt sich Barthel wacker, wenngleich sich rasch herausstellte, dass er Lutzens Bärenkräften nicht gewachsen war. Er musste Hieb um Hieb einstecken, bis er aus zahlreichen Wunden blutete. Seine zerschnittenen Füße mussten ihm höllische Schmerzen bereiten. Lutz gelang es mit seiner Pranke, ihm die Pistole aus der Hand zu schlagen. Als Barthel sich nach ihr bückte, streckte Lutz ihn nieder und ließ sich auf seinen Brustkorb fallen. Fassungslos musste Henrika mit ansehen, wie er Barthel die Luft abschnürte.
    Das Gesicht des Baumeisters lief blau an. Seine Augen traten aus den Höhlen, und seine Beine zuckten wie die eines Gehenkten.
    «Hör auf, Lutz, du bringst ihn um!» Henrika faltete die Hände und warf ihre Arme um den Hals ihres Jugendfreundes, um ihn von Barthel wegzuziehen. Aber ihre Kraft reichte nicht aus. Barthel darf nicht sterben, dachte sie voller Verzweiflung. Dass der Kurfürst das Dorf wegen des feigen Mordes an seinem Gesandten dem Erdboden gleichmachen lassen würde, war eine Sache. Doch wenn Barthel starb, nahm er auch das Geheimnis ihrer Mutter mit ins Grab. Sie durfte das nicht zulassen. Rasch nahm sie die Pistole, die Lutz achtlos liegen gelassen hatte, vom Boden auf und richtete sie auf den Wütenden.
    «Lutz, du wirst den Mann auf der Stelle loslassen.»
    Wie in einem Rausch wandte er den Kopf und streifte sie mit einem Blick, aus dem Verständnislosigkeit sprach. Als er die Waffe in ihrer Hand bemerkte, zog er Barthel ein Stück in die Höhe, ließ ihn jedoch nicht los, sondern schmetterte seinen Kopf mit Wucht auf den ausgetretenen Stein. Blut spritzte auf.
    Im selben Moment löste sich der Schuss. Mit einem Schrei brach Lutz zusammen.
    Henrika kämpfte sich auf die Füße und torkelte auf wackeligen Beinen auf ihn zu. Ein kurzer Blick auf den verwundeten Mann überzeugte sie davon, dass er weder für sie noch für Barthel eine Gefahr darstellte. Die Kugel hatte ihn getroffen, aber noch war er am Leben. Er atmete.
    Rasch eilte sie in die Küche, holte einige Tücher und presste sie so fest sie konnte gegen die Wunde. Mit einem Streifen aus ihrem Nachtgewand band sie die Tücher fest, sodass sie nicht verrutschen konnten. Der Druck würde die Blutung einstweilen aufhalten. Da sie im Augenblick nicht mehr für Lutz tun konnte, wandte sie sich Barthel Janson zu. Ein eisiger Schreck durchzuckte ihren Körper, als ihr Blick auf das wächserne Gesicht des Mannes fiel. Verzweifelt sah sie sich in der Halle und in der Küche um, aber außer weiteren Tüchern fand sie nichts, was ihr hätte helfen können. Wenn sie nicht sogleich etwas unternahm, würde sein Herz aussetzen. Einen Moment erwog sie, zum Wirtshaus zu laufen und Elisabeth zu holen, die sich besser auf die Heilkunst verstand als sie. Aber sie verwarf den Einfall gleich wieder. Elisabeth würde noch früh genug erfahren, was sich hier ereignet hatte. Sie würde ihr kaum helfen, den Baumeister zu retten, während Lutz in seinem Blut auf dem Boden lag. Davon abgesehen war es möglich, dass draußen noch immer einige der Männer lauerten, die das Haus mit Steinen beworfen hatten.
    Mit einem stummen Gebet auf den Lippen ergriff sie Barthels Handgelenk. Sein schwacher Puls erinnerte sie an den zaghaften Flügelschlag eines Schmetterlings. Obwohl der Festungsbaumeister flach atmend vor ihr lag, überkam sie plötzlich die

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