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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Sein Atem roch nach Wein, das Haar stand ihm widerborstig vom Kopf ab. Sein Oberkörper war nackt und glänzte im Schein des Feuers verschwitzt. Mit bloßen Füßen eilte er zur Waffentruhe, öffnete sie und entnahm zwei Pistolen, Lunten sowie eine Pulverflasche.
    «Vorsicht, Herr», warnte Henrika. «Der Fußboden ist voller Scherben. Zerschneidet Euch nicht die Füße.» Während sie mit dem Tafeltuch auf die Flammen einschlug, beobachtete sie, wie Barthel den Hahn der Pistole senkte und ihren Pfannendeckel zurückschob. Schließlich drückte er ihr eine der Waffen in die Hand und befahl ihr, hinter ihm den Raum zu verlassen.
    «Sie versuchen, die Tür einzuschlagen», zischte er. «Aber das wird ihnen schlecht bekommen!» Er befahl Henrika, auf dem oberen Treppenabsatz zu bleiben und auf ihn zu warten, während er die Eindringlinge zurückschlug.
    Henrika spürte erneut, wie sich ihr Magen vor Angst verkrampfte. Sie hatte noch nie eine Pistole angerührt. Barthel hatte ihr den schweren Kolben in die Hand gedrückt, aber nicht erklärt, wie sie ihn handhaben sollte. Der Gedanke, das Ding könnte plötzlich in ihren Händen explodieren und sie in tausend Stücke zerreißen, trieb ihr kalten Schweiß auf die Stirn.
    Die Schläge gegen die Tür verstummten. Hatten die Leute den Rückzug angetreten?
    Henrika blickte hinunter in die Eingangshalle. Alles war ruhig. Mit gedämpfter Stimme rief sie nach ihrem Dienstherrn. Aber sie bekam keine Antwort.
    «Herr Baumeister?» Er hatte ihr eingeschärft, oben auf ihn zu warten. Auf keinen Fall durfte sie die Treppe hinuntergehen, um nach ihm zu suchen. Aber was geschah, wenn er nicht zurückkehrte?
    «Gnädiger Herr?» In der angespannten Stille klang ihre Stimme beunruhigend laut und schrill. Von fern glaubte sie nun ein Stöhnen zu hören.
    Warum antwortete Barthel ihr nicht? War er wirklich so unvorsichtig gewesen, das Haus zu verlassen? Vielleicht lag er dort unten in seinem Blut und wartete darauf, dass sie ihm half. Vorsichtig setzte Henrika einen Fuß auf die erste Treppenstufe. Das Eichenholz der Stiege knarrte wie zum Protest unter ihrem Gewicht. Vor ihr lag nichts als abweisende Dunkelheit. Es war ein Fehler gewesen, kein Licht zu entzünden. Das Feuer, das oben einige entsetzliche Augenblicke lang gewütet hatte, war inzwischen erloschen und hatte nichts als Rauch zurückgelassen.
    Henrika tastete sich vorwärts, den Rücken gegen die Wand gedrückt, um im Dunkeln nicht auszugleiten. Ihr Herz klopfte so heftig, dass ihr fast schwindlig wurde.
    «Barthel, seid Ihr da?» Sie konnte die Tür sehen, die zu den Kellerräumen hinabführte. Sie stand eine Handbreit offen. Anscheinend hatte der Festungsbaumeister den Weg durch den Keller genommen, um die tobende Menge zu überraschen und sie mit seiner Muskete zu vertreiben. Aber wenn er den Angreifern nachstellte, bedeutete das auch, dass sie hier im Haus völlig schutzlos war.
    Ein leises Knirschen lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Kabinett. Es klang so, als schreite jemand langsam über die Scherben hinweg.
    Henrika umklammerte den Griff der Waffe. Vermutlich hatte einer der Männer nur gewartet, bis Henrika das Feuer gelöscht hatte und der Raum wieder im Dunkeln lag. Mit einer Leiter war es nicht schwer, durch das Fenster einzusteigen.
    Als die Tür langsam aufschwang und ein Mann in den Flur trat, glaubte Henrika, ihr Herz müsste zerspringen. Doch als das Mondlicht auf das Gesicht des Mannes fiel, der sich mit schwerfälligen Bewegungen auf den Treppenabsatz zubewegte, hätte sie am liebsten laut aufgelacht. Es war Lutz, Elisabeths Sohn. Er schien sie zu suchen. Henrika atmete auf. Lutz war kräftig genug, um jeden, der sich ihr zu nähern versuchte, die Treppe hinunterzustoßen.
    «Du hast mich beinahe zu Tode erschreckt», sagte Henrika und wunderte sich, dass ihre Stimme ihr gehorchte. «Aber ich war noch nie so glücklich, dich zu sehen.»
    Sie lächelte vor Dankbarkeit und Erleichterung. Aber der junge Mann lächelte nicht zurück. Zum ersten Mal, seit Henrika ihn kannte, war sein Gesicht hart und verschlossen. Als er sie berührte, bemerkte Henrika, dass er blutete. Vielleicht hatte er sich an einem Glassplitter verletzt.
    Henrika blickte ihn mitfühlend an, doch sogleich kehrte die Sorge um Barthel zurück.
    «Ich werde deine Hand verbinden, sobald mein Herr zurückgekehrt ist. Er hat in seinem Keller ein paar ausgezeichnete Salben und Heilkräuter. Hast du ihn gesehen, Lutz? Bitte sag mir, ob die

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