Die Meisterin der schwarzen Kunst
Leute aus dem Dorf ihm etwas angetan haben.»
In den Augen des Jungen blitzte auf einmal Misstrauen auf, und seine Mundwinkel zuckten nervös.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Solange Henrika zurückdenken konnte, war Lutz ihr Freund und Verbündeter gewesen. Als sie vor vielen Jahren in dem verlassenen Gutshaus unter einem Bündel von schmutzigen Decken in ihr neues Leben gekrochen war, hatte sein Lachen sie ins Licht gelockt. Sein kindliches, aber stets glückliches Gestammel war ihr auch später noch oft ein Trost gewesen.
Als er jedoch hier vor ihr stand, kam er ihr fremd vor. Hatte Elisabeth nicht behauptet, dass Lutz ihre Gegenwart nicht länger ertragen könne?
«Du bist doch durchs Fenster gestiegen, um nach mir zu sehen? Du wolltest nicht zulassen, dass die Schreihälse mir etwas antun?»
Lutz lächelte abwesend. Es verging eine ganze Weile, bis sie ihm eine Antwort entlocken konnte. Doch es war nicht die Antwort, die sie erhofft hatte.
«Sie sagen, du wärst eine Hure, die böse Dinge treibt», stieß er hervor. «Ich weiß, was eine Hure macht. Sie wohnt bei fremden Männern und putzt und kocht für sie.»
«Sie putzt und kocht?» Henrika fand diese Beschreibung so absonderlich, dass sie beinahe aufgelacht hätte. Doch ihr war klar, wem sie seinen Argwohn zu verdanken hatte. Agatha und der Dorfpfarrer mussten viel Mühe aufgewendet haben, ihn gegen sie aufzuhetzen.
«Du wolltest nicht bei Mutter und mir bleiben, weil du lieber mit diesem fremden Mann zusammen bist. Die Leute sagen, dass du nur über mich lachst, während du mit dem Fremden ins Bett steigst.» Seine Augen füllten sich mit Tränen der Enttäuschung.
«Lutz, du bist mein Vetter …»
«Nein, bin ich nicht.» Er schüttelte heftig den Kopf. «Die Hutmacherin hat dich nicht zur Welt gebracht, das weiß ich. Sie hat dich in einem Teufelshaus gefunden, wo du versucht hast, deine tote Mutter durch Zauberei wieder zum Leben zu erwecken.»
«Nein», rief Henrika. Sie lehnte die Muskete gegen die Wand und machte ein paar Schritte auf ihn zu. «Ich habe niemandem im Dorf jemals etwas getan. Du darfst die Lügen nicht glauben, die sie über mich erzählen.»
Sonst bin ich verloren, fügte sie in Gedanken hinzu.
Lutz zögerte. Er rang offenkundig mit sich, doch seine Zweifel hatten sich bereits tief in sein Gemüt gegraben. Zu tief.
«Wartest du auf den Mann?», fragte er voller Misstrauen. «Die Bauern haben ihn auf den Hof gelockt, um ihn wie einen wilden Hund zu erschlagen.»
Henrika wurde blass. «Das dürfen sie nicht. Die Soldaten unseres Kurfürsten würden sie für dieses Verbrechen vierteilen.»
Über das Gesicht des Jungen legte sich ein breites Grinsen, als habe Henrika etwas Spaßiges gesagt. Ohne Vorwarnung packte er sie und zog sie an seine Brust. «Mach dir keine Sorgen, Henrika. Ich werde nicht erlauben, dass sie dich umbringen. Ich weiß ein gutes Versteck im Wald, dort wird dich niemand finden. Nur ich kenne den Weg dorthin. Dort darfst du für mich putzen und kochen und alles tun, was eine Hure sonst so macht.»
Henrika wollte protestieren, doch bevor sie ein Wort sagen konnte, legte Lutz ihr seine Hand auf den Mund und zwang sie vor sich die Treppe hinunter. Henrika wand sich verzweifelt in seinem Griff, aber es war zwecklos.
«Sie werden mir sicher erlauben, dich zu heiraten, nachdem du in der Kirche Buße für deinen Hurendienst abgelegt hast.»
Um die Tür zum Hof zu öffnen, musste Lutz sie loslassen, aber ein drohender Blick gab ihr zu verstehen, dass sie sich nicht vom Fleck rühren sollte. Vorsichtig steckte der junge Mann den Kopf hinaus.
«Keiner mehr da», sagte er kichernd. «Alle weg. Bestimmt versenken sie den Mann gerade unten im Rhein.» Sein Gelächter ließ Henrika erschaudern. Dann packte sie blinde Wut. Barthel durfte nicht tot sein, sie durften ihn nicht anrühren. Er wusste, woher sie kam, wer ihre Mutter gewesen war. Mit beiden Fäusten schlug sie auf Lutz ein und schaffte es tatsächlich, ihn zur Tür hinauszudrängen. Doch Lutz schob seinen Fuß in den Türspalt, während sich Henrika bemühte, den Riegel vorzulegen. Mit einem wütenden Aufschrei warf er sich gegen die Tür.
Henrika wurde von der Wucht des Aufpralls zu Boden geschleudert. Sie schlug mit dem Kopf gegen eine Holztruhe. Benommen richtete sie sich auf, während Lutz sie anstarrte. Dann hob er sie vom Boden auf, als wäre sie ein Bündel Schafwolle, und wankte mit ihr auf den Eingang zu, ohne ihre Gegenwehr zu beachten. Als
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