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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Gelehrten haben zwar darauf verzichtet, diese Lehre in ihren Katechismus aufzunehmen, mir aber hat in meiner Jugend ein Prediger enthüllt, dass ich zu den Erwählten gehöre.»
    «Vater Hahn und du habt immer nach Erfolg gestrebt, um den Beweis hierfür zu erbringen. Das ist doch auch auf Calvin zurückzuführen, nicht wahr? Diejenigen, die es im Leben zu etwas bringen und deren Geschäfte gut gehen, dürfen damit rechnen, zu den Erwählten zu gehören.»
    Meister Priems Kichern hallte schaurig durch die rauchgeschwängerte Stube. Der Alte mochte blind sein, aber dafür verfügte er über ein erstaunlich gutes Gehör. Sein Gelächter verriet Henrika indes, dass er nicht viel von der calvinistischen Lehre hielt, der seine Nachbarn anhingen.
    «Wir Menschen legen es so aus, weil wir die Wahrheit nicht ertragen können», sagte die Hutmacherin leise. «Wir beobachten ängstlich, wie wir uns entwickeln, welche Entscheidungen unsere Geldkisten füllen, ob wir ein gutes oder ein schlechtes Jahr hatten und ob unsere Kinder den Geboten des Himmels folgen. Aber im Grunde sind wir machtlos wie Schafe, weil die wahre Entscheidung über unser Schicksal nicht hier, sondern im Himmel getroffen wird, noch bevor es uns gibt.» Agatha sog scharf die Luft ein. Mit einem Mal wirkte sie auf Henrika verletzlich wie ein junges Mädchen, das soeben von seinem Liebsten verlassen wurde.
    «Ich setzte alles daran, zu den Erwählten zu gehören, das war mein einziges Ziel. Schau dich doch einmal um, wie es um die Mächtigen bestellt ist. Kaiser Rudolf streitet mit seinem eigenen Bruder um die Macht im Reich. Die Frage des wahren Glaubens spaltet die Fürsten. Ich sehe einen Krieg auf uns zukommen, der alles in den Schatten stellen wird, was wir bisher erlebt haben. Nur der Himmel kann uns davor behüten, und wenn er es nicht tut, dann nur, weil wir den Verlockungen des Satans nachgegeben haben.»
    «Was hast du getan, Mutter Hahn?»
    Agatha stand auf und wanderte unruhig umher. Dann blieb sie plötzlich stehen und drehte sich zu ihrer Pflegetochter um. Ihre Lippen zuckten nervös. «Lutz ist nicht Elisabeths Kind», sagte sie. «Er ist mein Sohn, mein eigen Fleisch und Blut. Mein Mann wusste es, aber er hat mir meinen Fehltritt verziehen. Er wollte Lutz sogar bei uns aufnehmen, aber ich lehnte das ab, weil …»
    «Weil Lutz von Geburt an geistesschwach ist», beendete Henrika den Satz. Sie war fassungslos über Agathas Geständnis. Mit diesem schrecklichen Geheimnis hatte die Hutmacherin all die Jahre gelebt. Sie hatte ihr Kind ihrer Schwester überlassen, weil sie gefürchtet hatte, verstoßen zu werden, falls jemand etwas von ihrem Fehltritt erfuhr. Nicht nur verstoßen von der Dorfgemeinschaft, die jede Sünde unbarmherzig anprangerte, sondern auch vom Himmel, an den sie sich mit jeder Faser ihres Körpers klammerte. Nun verstand Henrika auch, warum sie im Haus des Hutmachers auf so wenig Wärme gestoßen war. Das Kind einer Gebrandmarkten aufzunehmen, musste die alten Wunden wieder aufgerissen und Agatha der Gefahr ausgesetzt haben, dass ihr Geheimnis irgendwann doch noch ans Licht kam.
    «Ich habe Schuld auf meine Seele geladen», klagte die Frau. «Eine Schuld, die ich an Lutz nicht wiedergutmachen kann. Und auch an dir nicht.»
    Henrika trat zu Agatha und berührte sie zum ersten Mal, seit sie sie kannte, sanft an der Schulter. «Lutz hat es nie an etwas gefehlt. Elisabeth hing mit großer Liebe an ihm und behandelte ihn wie ein eigenes Kind. Außerdem fühlte er sich in Vater Hahns Haus ebenso wohl wie in der Schänke. Ich glaube nicht, dass er etwas vermisst hat.»
    Agatha nahm Henrikas Hand und blickte sie mit tränenverhangenen Augen an. «Aber was ist mit dir? Ich habe dir doch verboten, dich mit deiner wahren Herkunft zu beschäftigen. Keine Stunde ist es her, da verbrannte ich die Briefe dieses Baumeisters, weil ich Angst vor ihnen hatte. Angst ist ein schlechter Tröster.»
    Und der Weg ins Himmelreich ist voller Dornen, dachte Henrika. Sie entzog der Frau ihre Hand und lief hinüber zur Herdstelle. Der Blinde hörte sie kommen und lächelte ihr aufmunternd zu. Sein Kessel begann zu brodeln.
    «Ich habe zwei der Männer wiedererkannt, die dich damals als kleines Kind in dem verlassenen Bauernhaus aussetzten», rief ihr Agatha unvermittelt hinterher. «Dich und deine Mutter.»
    Henrika erschauderte. «Wen hast du erkannt? Bitte sag es mir!»
    «Nun, es ist schon lange her, und es ging damals alles so schnell. Die Männer

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