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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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schwangen sich auf ihre Pferde und verschwanden in der Nacht, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Aber ich möchte schwören, dass einer von ihnen dein Festungsbaumeister war. Ich vermute, dass er dich ebenfalls erkannte, als er ins Dorf kam, und aus diesem Grund darauf bestand, dich zu sich zu nehmen. Den anderen habe ich einige Zeit später wiedergesehen. An dem Tag, als der Vertrag zwischen dem Kurfürsten und dem Dorf geschlossen wurde. Der Mann hat die Urkunden verlesen.»
    «Der Graf zu Solms?» Henrika erinnerte sich an den weißhaarigen Edelmann, der einige Male Gast in Barthels Haus gewesen war. Otto von Solms gehörte zu den engsten Vertrauten des Kurfürsten. Aber sie hatte niemals damit gerechnet, dass er einer der Verschwörer sein könnte, die ihre Mutter damals zum Sterben in das einsame Gutshaus gebracht hatten. Kalte Wut stieg in ihr auf. Diese Männer hatten sie um ihr Leben betrogen, sie waren schuld an ihrem Unglück. Sie und Anna von Neufeld.
    Agatha entging die Veränderung nicht, die in Henrika vorging. Beschwichtigend hob sie die Hand. «Mach nicht den gleichen Fehler wie ich damals», riet sie, «indem du Zorn und Verbitterung in dein Herz lässt. Weil sie nämlich dort für immer wohnen werden.»
    Henrika strich sich das Haar aus der Stirn. Sie verspürte nicht die geringste Lust, Agathas Weisheiten anzuhören, auch wenn die ausnahmsweise einmal nicht aus der Bibel stammten.
    «Selbst wenn ich mich rächen wollte, was könnte ich schon ausrichten? Etwa nach Mannheim zurückkehren, Anna von Neufeld auf den Kopf zusagen, dass ich ihre Intrigen durchschaut habe? Sie würde mich auslachen und die Büttel rufen. Ich könnte auch nach Heidelberg gehen und den Grafen zu Solms bitten, mich zu empfangen. In Kürze wird die Nachricht von Barthels Tod auch ihn erreicht haben. Sicher wird er nicht begeistert sein, wenn ich ihm vorwerfe, dass er und ein paar seiner Spießgesellen eine Sterbende aus der Stadt geschleift haben, nachdem sie ihr mit dem Brandeisen einen Beweis ihrer Achtung verpasst haben.»
    «Kurz vor seinem Tod hat Hahn in Heidelberg Nachforschungen angestellt, weil der Mann, der ihm jedes Jahr Geld für dich überbrachte, nicht auftauchen wollte», sagte Agatha. «Hahn behauptete, es sei damals niemand in der Stadt mit dem Brandeisen bestraft worden. Es sei alles nur Gerede gewesen.»
    «Das kann nicht wahr sein», rief Henrika. «Meine Mutter trug ein rotes Schandmal auf der Schulter. Das weiß ich genau. Sie starb am Wundfieber, ehe ich ihr helfen konnte. Hast du vergessen, dass ich im Dorf von frühester Kindheit an wie eine Aussätzige behandelt wurde, weil man in mir nur das Kind der Hure sah? Die Frauen haben mich gemieden oder jeden meiner Schritte mit Argwohn verfolgt, und die Männer haben mir lüsterne Blicke zugeworfen. Öfter als jedes andere Mädchen musste ich mir die Ermahnungen des Pfarrers anhören, wenn er unser Haus besuchte. Und nun behauptest du allen Ernstes, meine leibliche Mutter sei nie gebrandmarkt worden? Habe ich mir am Ende alles nur eingebildet?»
    Agatha zuckte die Achseln und schwieg. Dafür sagte Meister Priem: «Zieht ihr nicht einmal in Erwägung, dass ihr beide recht habt?»
    «Wie meint Ihr das?»
    Der Blinde nahm mit einem geübten Griff den Kessel vom Haken, rührte seinen Sud mit einer Schöpfkelle um und gab ein wenig von der dampfenden Flüssigkeit in einen Tonbecher.
    «Nun, wenn der Hutmacher die Wahrheit sagte und nicht getäuscht wurde, fand zu der Zeit, von der ihr redet, keine öffentliche Urteilsvollstreckung in Heidelberg statt. Aber dennoch wurde deiner Mutter ein Mal ins Fleisch gebrannt. Fragt sich nur, wer es tat und warum er diese Gerüchte ausstreute.»
    «Seid Ihr sicher, dass meine Mutter nicht auf ein Schafott steigen musste?», hakte Henrika nach. Sie war immer noch skeptisch.
    Meister Priem wurde schlagartig ernst. Stumm fuhr er sich mit der Hand über den fleckigen Fetzen, hinter dem er seine erloschenen Augen verbarg. Dann erklärte er: «Ich bin mir absolut sicher, Mädchen, denn wenn die Frau vor etwa zwanzig Jahren in Heidelberg bestraft worden wäre, müsste mir das bekannt sein. Aber ich erinnere mich an keinen derartigen Fall. Ihn vor mir zu verheimlichen, wäre gegen die Carolina gewesen, die geltende Strafordnung, die Kaiser Karl   V. einst erlassen hat.»
    «Vor Euch? Wieso vor Euch?» Henrika starrte den hageren Mann verwirrt an. Doch dann begann sie allmählich zu begreifen. «Ihr seid kein gewöhnlicher

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