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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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hat Barthel umgebracht oder Bunter angestiftet, es für sie zu erledigen. Ich muss herausfinden, warum Barthel und ich ihr so gefährlich wurden.»
    Henrika zog die Schnüre des weiten Kittels über ihrer Brust straff und nahm sich dann eine Decke, die sie sich vorsichtig um die Schultern legte. Sie fragte sich, ob die Kälte, die sich in ihren Knochen eingenistet hatte, jemals wieder weichen würde.
    Agatha räusperte sich. «Es steht dir nicht zu, dich an dieser Anna zu rächen», sagte sie. «Das ist allein Gottes Vorrecht. Wenn es seinem Willen entspricht …»
    Henrika unterbrach sie.
    «Wer hat den Schuhmacher unter einer Steinlawine begraben? War es Gottes Hand oder deine?»
    Agathas Gesicht wurde rot. Sie erhob den Zeigefinger und öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, doch in diesem Augenblick kehrte Meister Priem in die Stube zurück. Umständlich öffnete er den Deckel einer Spanschachtel, der ein würziger Duft entstieg. «Mein heißer Sud wird das Fieber von dir nehmen und dir stattdessen ein paar hübsche Träume bescheren, Kindchen», sagte Meister Priem nicht ohne Stolz. Dann kicherte er. «Hab doch gleich gemerkt, dass du eine von ihnen bist. Ich fühle das mit meinen Händen.»
    «Eine von ihnen?», entfuhr es Henrika verdutzt. Sie blickte Agatha an, die mit verdrießlicher Miene den Kopf schüttelte.
    «Aber ja doch, Kindchen. Du kannst sehen …»
    «Und ich kann hören, dass du Blödsinn redest, alter Mann.» Agatha nahm Meister Priem den Kräuterbehälter aus der Hand und stellte ihn auf den Tisch. «Meine Tochter ist in Schwierigkeiten, weil man sie fälschlich einer Bluttat verdächtigt. Ich habe sie zu dir gebracht, damit du ihre Wunden versorgst, bevor sie weiterreisen kann, nicht um mir gottlose Reden anzuhören.»
    Der Blinde lächelte nachsichtig. «Warum hilfst du ihr, wenn du nicht an sie glauben kannst?»
    Darauf fand selbst Agatha keine Antwort. Priem stieß wieder sein heiseres Lachen aus. Er legte seine knochige Hand auf Agathas Schulter und zwang sie mit sanfter Gewalt, auf einem Sessel aus Binsengeflecht Platz zu nehmen, der Kratzspuren scharfer Krallen aufwies. Ermattet bedeckte die alte Frau ihr Gesicht mit beiden Händen.
    «Ich hasse nun einmal Geheimnisse», sagte sie nach einer Weile.
    «Es ist wegen deines Sohnes, nicht wahr?»
    Agatha fuhr auf und starrte den Blinden voller Angst an.
    «Wäre es nicht an der Zeit, dein Gewissen zu erleichtern und dich dem Mädchen anzuvertrauen?», fragte Meister Priem. Er nahm die Kräuterdose vom Tisch, ohne auch nur einmal danebenzugreifen, und lief mit ihr hinüber zum Feuer, um seinen Trank zuzubereiten.
    «Wovon redet der Mann?» Henrika stand von der Ofenbank auf und versetzte der schlafenden Katze, die sich zu ihren Füßen zusammengerollt hatte, aus Versehen einen Stoß. Fauchend sprang das Tier zu Boden und verschwand beleidigt in einem Winkel der Stube.
    «Hast du dich jemals nach etwas so sehr gesehnt, dass du an nichts anderes mehr denken konntest und dein Körper allein beim Gedanken daran erbebte? Du wünschst dir nichts mehr, als die Qual zu beenden, die mit deinem Sehnen einhergeht, aber andererseits bist du nicht gewillt, auch nur auf einen Moment des Glücksgefühls zu verzichten, das deine Sinne durchdringt, wenn du dir das Ziel deiner Wünsche vorstellst.»
    Henrika schlug verwirrt den Blick nieder. Sie konnte nicht abstreiten, dass sie diese Gefühle kannte. Seit Johannes Carolus den Baumeister aufgesucht hatte, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als nach Straßburg zu gehen, um Laurenz wiederzusehen. Sie wollte alles über die Zeitung lernen, welche die Männer dort druckten, und sie wollte herausfinden, warum eine bestimmte Melodie ihr Leben beherrschte.
    «Als ich ein junges Mädchen war, hörte ich zum ersten Mal von der Lehre der Vorherbestimmung», fuhr Agatha nach einigem Zögern fort. «Ich hoffe, du kannst dich noch an die Predigten unseres alten Dorfpfarrers erinnern?»
    «Natürlich kann ich das, schließlich bin ich damit aufgewachsen. Johannes Calvin lehrt, dass nicht alle Menschen mit der gleichen Bestimmung erschaffen werden. Die einen werden dem ewigen Leben, die anderen der ewigen Verdammnis zugeordnet.»
    Agatha nickte eifrig. «So ist es, mein Kind. Meister Calvin selbst nannte es eine furchtbare Entscheidung Gottes, die wir aber nie in Frage stellen dürfen. Insbesondere deshalb nicht, da kein Mensch wissen kann, ob er zu den Erwählten oder zu den Verdammten gehört. Die Heidelberger

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