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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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und zu bösem Grinsen verzogenen Lippen.
    «Was zum Teufel suchen Sie hier?», fragte Anthony. «Und wer hat Sie hereingelassen?»
    «Ich komme, wie ich will», sagte der Fremde. Seine Stimme war kehlig, und er hatte einen fremdländischen Akzent.
    «Verschwinden Sie gefälligst – sofort, verstanden?», fuhr Anthony ihn an.
    Die Blicke des Mannes hefteten sich auf das Paket Briefe, das Anthony noch immer in der Hand hielt.
    «Ich gehe, wenn ich das habe, wofür ich gekommen bin.»
    «Und was ist das, wenn ich fragen darf?»
    «Die Memoiren des Grafen Stylptitch», zischte er.
    «Man kann Sie einfach nicht ernst nehmen», sagte Anthony.
    «Sie spielen Ihre Rolle als Bühnenbösewicht ausgezeichnet. Wer hat sie geschickt? Baron Lollipop?»
    Der Mann spuckte eine lange Reihe von Konsonanten aus.
    «So wird also der Name ausgesprochen? Eine Kreuzung zwischen Gurgeln und Bellen. Das brächte ich nie fertig, meine Kehle gibt das nicht her. Ich werde ihn eben weiterhin Baron Lollipop nennen müssen. Er hat Sie also hergeschickt?»
    Der Mann leugnete heftig. Er ging sogar so weit, auf diese Anschuldigung in höchst realistischer Weise zu spucken. Dann zog er einen Zettel aus seiner Tasche und warf ihn auf den Tisch.
    «Sieh her», schrie er, «sieh her und zittere, verdammter Engländer!»
    Anthony sah sich den Zettel an, ohne jedoch den zweiten Befehl auszuführen. Auf dem Papier war die rohe Zeichnung einer roten Hand zu sehen.
    «Sieht aus wie eine Hand», bemerkte er. «Aber wenn Sie wollen, bin ich auch bereit zu erklären, dass es sich um die kubistische Darstellung eines Sonnenuntergangs am Nordpol handelt.»
    «Es ist das Zeichen der Bruderschaft von der Roten Hand. Ich bin ein Bruder von der Roten Hand.»
    «Was Sie nicht sagen!», lächelte Anthony kühl, indem er den Mann aufmerksam ansah. «Sind die anderen Brüder ähnlich wie Sie?»
    «Hund», bellte er, «bezahlter Sklave einer überlebten Monarchie! Gib mir die Memoiren, und du wirst ungeschoren davonkommen. So lautet die Forderung der Bruderschaft.»
    «Das ist sehr liebenswürdig von ihr», meinte Anthony freundlich. «Aber leider geht die Bruderschaft von einer falschen Voraussetzung aus. Mein Auftrag geht nicht dahin, das Manuskript Ihrer geehrten Bruderschaft, sondern einem Verlag auszuhändigen.»
    «Pah», rief der andere. «Und du glaubst wirklich, du wirst diesen Verlag lebend erreichen? – Genug mit dem Geschwätz! Her mit den Papieren, oder ich schieße!»
    Aber da kannte er Anthony Cade schlecht. Anscheinend hatte er keine Erfahrung mit Menschen, die ebenso schnell handelten, wie sie dachten. Anthony wartete nicht, bis der Revolver auf ihn gerichtet war. Kaum hatte der andere ihn aus der Tasche gezogen, war Anthony auch schon mit einem Sprung bei seinem Gegner und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Die Kraft dieses Schlages ließ den Mann herumfahren, sodass er seinem Angreifer den Rücken zuwandte.
    Die Gelegenheit war zu günstig, um nicht genutzt zu werden. Mit einem kräftigen, gut gezielten Fußtritt flog der Mann durch die Tür und landete als schlappes Bündel im Korridor. Anthony folgte ihm, aber der tapfere Bruder von der Roten Hand hatte genug. Er erhob sich schwankend und suchte das Weite. Anthony ließ ihn laufen und kehrte ins Zimmer zurück.
    «Soviel über die Bruderschaft von der Roten Hand», murmelte er. «Malerische Erscheinungen, aber leicht außer Gefecht zu setzen. Wie zum Teufel kam der Kerl eigentlich rein? Mir wird langsam klar, dass dieser Auftrag nicht so einfach ist, wie ich dachte. Die Royalisten und die Revolutionspartei habe ich nun schon kennen gelernt. Eines ist sicher: Heute Nacht werde ich diese Memoiren studieren.»
    Anthony blickte auf seine Uhr, und da er sah, dass es schon fast neun war, entschloss er sich, auf dem Zimmer zu speisen. Er erwartete zwar keine weiteren Überraschungen, aber er wollte doch lieber auf der Hut bleiben. So läutete er und verlangte die Karte, wählte ein paar Gerichte aus und bestellte eine Flasche Bordeaux. Der Kellner notierte die Bestellung und verschwand.
    Während er auf sein Essen wartete, nahm Anthony das Manuskript aus dem Koffer und legte es neben die Briefe auf den Tisch. Es klopfte, und ein Kellner kam mit einem Rolltischchen, auf dem sich das Essen befand. Anthony war zum Kaminsims gegangen und stand dort mit dem Rücken zum Zimmer, direkt vor dem Spiegel. Ganz in Gedanken blickte er hinein und sah etwas Merkwürdiges.
    Die Augen des Kellners starrten wie gebannt auf

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