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Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2

Titel: Die Memoiren des Sherlock Holmes Bd. 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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standen.

    An jenem Abend um sieben Uhr gingen wir zu dritt zur Corporation Street, zum Büro der Gesellschaft.
      »Es hat keinen Zweck, vor der Zeit da zu sein«, sagte unser Klient, »denn er kommt anscheinend nur her, um sich mit mir zu treffen. Bis dahin stehen die Räume leer.«
      »Das leuchtet ein«, bemerkte Holmes.
      »Du lieber Himmel, habe ich es Ihnen nicht gesagt!« rief unser Freund. »Dort vorn ist er.«
      Er zeigte auf einen kleineren blonden, gut angezogenen Mann, der mit schnellen Schritten auf der anderen Straßenseite ging. Wir sahen, wie er zu einem Jungen auf unserer Seite herüberschaute, der die Abendausgaben ausrief, wie er sich zwischen Droschken und Bussen hindurchwand und eine Zeitung kaufte. Dann verschwand er in einem Hauseingang.
      »Da ist er wieder!« rief Hall Pycroft. »In dem Haus befinden sich die Büros der Gesellschaft. Kommen Sie mit, ich werde es arrangieren.«
      Wir folgten ihm ins fünfte Stockwerk, wo unser Klient an eine halbgeöffnete Tür klopfte. Eine Stimme sagte »Herein!«, und wir betraten einen nackten, unmöblierten Raum, so wie Hall Pycroft es beschrieben hatte. An dem einzigen Tisch saß der Mann, den wir auf der Straße gesehen hatten, die Abendzeitung vor sich ausgebreitet, und als er hochblickte, schien mir, ich hätte noch nie ein Ge sicht gesehen, das so von Kummer gezeichnet war oder vielmehr von etwas, das den Kummer übertraf – von einem Schrecken, wie er nur wenige Menschen im Leben befällt. Die Stirn glänzte schweißnaß, die Wangen waren vom stumpfen, toten Weiß eines Fischbauchs überzogen, und die Augen starrten wild. Er sah auf seinen Angestellten, als könne er sich seiner nicht erinnern, und an dem Staunen unseres Führers erkannte ich, daß dies auf keinen Fall das gewöhnliche Gesicht seines Chefs war.
      »Sie sehen krank aus, Mr. Pinner!« rief er.
      »Ja, es geht mir nicht sehr gut«, antwortete der andere und unternahm offensichtliche Anstrengungen, sich zusammenzureißen; er leckte sich die trockenen Lippen, ehe er weitersprach.
      »Wer sind die Herren, die Sie mitgebracht haben?«
      »Der eine ist Mr. Harris aus Bermondsey, der andere ist Mr. Price aus dieser Stadt«, sagte unser Freund rasch. »Sie sind Freunde von mir, berufserfahrene Männer, die seit einiger Zeit keine Beschäftigung besitzen. Sie hoffen, daß Sie ihnen Arbeit in der Gesellschaft verschaffen können.«
      »Sehr wohl möglich! Sehr wohl möglich!« rief Mr. Pinner mit einem gespenstischen Lächeln. »Ja, ich zweifle nicht, daß wir etwas für Sie tun können. Welchen Beruf haben Sie, Mr. Harris?«
      »Ich bin Buchhalter«, sagte Holmes.
      »Ja, ja, das brauchen wir. Und Sie, Mr. Price?«
      »Schreiber«, sagte ich.
      »Ich glaube bestimmt, daß die Gesellschaft Sie einstellen wird. Ich lasse von mir hören, sobald eine Entscheidung gefallen ist. Und nun gehen Sie bitte. Lassen Sie mich um Gottes willen allein.«
      Die letzten Worte wurden herausgeschleudert, als sei die Beherrschung, die er sich offensichtlich auferlegt hatte, plötzlich und völlig zusammengefallen. Holmes und ich blickten einander an, und Hall Pycroft tat einen Schritt näher zum Tisch.
      »Sie vergessen, Mr. Pinner, daß ich mit Ihnen verabredet bin, um Anweisungen entgegenzunehmen«, sagte er.
      »Ich weiß, Mr. Pycroft, ich weiß«, antwortete der andere in ruhigerem Ton. »Warten Sie einen Augenblick hier, und es gibt natürlich keinen Grund, warum Ihre Freunde nicht auch bleiben sollten. In drei Minuten stehe ich zu Ihrer Verfügung, wenn ich Ihre Geduld so lange in Anspruch nehmen darf.« Er stand auf, verbeugte sich sehr höflich vor uns und ging durch eine Tür am anderen Ende des Zimmers, die er hinter sich schloß.
      »Was nun?« flüsterte Holmes. »Er entkommt uns.«
      »Unmöglich«, antwortete Pycroft.
      »Wieso?«
      »Weil die Tür nur in einen anderen Raum führt.«
      »Und es gibt keinen Ausgang?«
      »Keinen.«
      »Ist der Raum möbliert?«
      »Gestern stand er leer.«
      »Was, zum Teufel, sucht er dann da drin? Ich verstehe hier einiges nicht. Wenn es jemals einen Mann gab, der vor Angst fast durchdrehte, dann heißt der Pinner. Was hat nur das große Zittern über ihn gebracht?«
      »Er vermutet, daß wir Detektive sind«, gab ich zu bedenken.
      »Das wird’s sein«, sagte Pycroft.
      Holmes schüttelte den Kopf. »Er ist nicht bleich geworden. Er war schon bleich, als wir den Raum

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