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Die Menschenleserin

Die Menschenleserin

Titel: Die Menschenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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gar kostbaren Edelsteinen.
    »Guten Morgen«, sagte Dance und nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz.
    »Ihnen auch«, erwiderte Daniel Pell, der vor acht Jahren vier Mitglieder einer Familie erstochen und den Grund dafür niemals preisgegeben hatte. Seine Stimme war sanft.
    Der klein gewachsene, sehnige Mann verzog das Gesicht zu einem leichten Lächeln und lehnte sich entspannt zurück. Sein Kopf mit dem langen grauschwarzen Haar war zur Seite geneigt. Die meisten Verhöre im Gefängnis wurden von einem stetigen Klirren der Ketten begleitet, weil die Verdächtigen mit ausholenden, berechenbaren Gesten ihre Unschuld beteuerten. Daniel Pell hingegen saß vollkommen still.
    Für Dance, spezialisiert auf Vernehmungen und Kinesik – Körpersprache -, signalisierte Pell durch sein Verhalten und seine Pose vorsichtige Zurückhaltung, aber auch Selbstbewusstsein und sogar Belustigung. Er trug einen orangefarbenen Overall, auf dessen Brust »Strafanstalt Capitola« geschrieben stand. Auf dem Rücken prangte überflüssigerweise das Wort »Häftling«.
    Gegenwärtig befanden Pell und Dance sich jedoch nicht in Capitola, sondern sechzig Kilometer entfernt in einem gesicherten Verhörraum des Bezirksgerichts von Salinas.
    Pell setzte seine Begutachtung fort. Zuerst nahm er sich nunmehr Dances Augen vor – ein Grün, das gut zu seinem Blau passte, eingerahmt durch eine Brille mit rechteckigem schwarzem Gestell. Dann widmete er sich ihrem dunkelblonden, zu einem festen Zopf geflochtenen Haar, dem schwarzen Jackett und darunter der dicken, blickdichten weißen Bluse. Auch das leere Holster am Gürtel entging ihm nicht. Er war gewissenhaft und ließ sich Zeit. (Bei einer Vernehmung sind beide Beteiligten aufeinander neugierig. »Der Verdächtige nimmt Sie genauso gründlich in Augenschein wie Sie ihn«, ermahnte Dance die Teilnehmer ihrer Seminare. »Für gewöhnlich sogar noch gründlicher, denn er hat mehr zu verlieren.«)
    Dance suchte in ihrer blauen Handtasche nach ihrem Dienstausweis und ließ sich nichts anmerken, als sie eine kleine Spielzeugfledermaus vom letztjährigen Halloween entdeckte. Der zwölfjährige Wes oder seine jüngere Schwester Maggie, vermutlich aber beide gemeinsam, hatten sich mal wieder einen Streich für sie ausgedacht. Ist das nicht ein herrlicher Kontrast?, dachte Dance. Noch vor einer Stunde hatte sie mit ihren Kindern in der Küche ihres gemütlichen viktorianischen Hauses im idyllischen Pacific Grove gefrühstückt, während zu ihren Füßen zwei übermütige Hunde um Speck bettelten, und nun saß sie hier, an einem ganz anderen Tisch, einem verurteilten Mörder gegenüber.
    Sie fand den Ausweis und zeigte ihn vor. Pell kniff die Augen zusammen und musterte ihn eindringlich. »Dance. Interessanter Name. Wo der wohl herkommt? Und das California Bureau … was steht da?«
    »Bureau of Investigation. Wie ein FBI auf Staatsebene. Also, Mr. Pell, Sie sind sich bewusst, dass diese Unterredung aufgezeichnet wird?«
    Er schaute zu dem Spiegel, hinter dem eine Videokamera summte. »Glaubt ihr eigentlich allen Ernstes, wir würden annehmen, diese Dinger seien dafür gedacht, dass wir uns die Frisur richten können?«
    Verhörzimmer sind nicht mit Spiegeln versehen, um dahinter Kameras und Zeugen zu verstecken – zu diesem Zweck gibt es weitaus bessere technische Lösungen -, sondern weil Menschen weniger zum Lügen neigen, wenn sie sich selbst sehen.
    Dance lächelte matt. »Und Sie wissen, dass Sie dieses Gespräch jederzeit beenden können und das Recht auf einen Anwalt haben?«
    »Ich kenne mich mit den Strafrechtsbestimmungen besser aus als der ganze Abschlussjahrgang einer juristischen Fakultät. Was ein ziemlich trauriges Licht auf unsere Universitäten wirft, wenn Sie mich fragen.«
    Wortgewandter als Dance erwartet hatte. Und schlauer.
    Eine Woche zuvor war Daniel Raymond Pell, der im Jahre 1999 William Croyton, dessen Frau und zwei ihrer Kinder ermordet hatte und dafür zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, an einen Mitgefangenen herangetreten, dessen Entlassung unmittelbar bevorstand, und hatte ihm Geld für die Erfüllung eines Auftrags angeboten. Pell erzählte ihm von einigen Beweisstücken, die er vor vielen Jahren in einen Brunnenschacht in Salinas geworfen habe, und erklärte, er sei besorgt, die Gegenstände könnten ihn mit dem ungelösten Mord an einem wohlhabenden Farmeigentümer in Verbindung bringen. Er habe kürzlich gelesen, Salinas wolle das städtische Leitungsnetz

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