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Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht

Titel: Die Merle-Trilogie 02 - Das steinerne Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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sie bewegten sich schnell und wendig, und Merle musste unwillkürlich an riesenhafte Spinnen denken, auch wenn das die Sache vereinfachte - und beschönigte.
    »Sie haben uns noch nicht entdeckt«, sagte Winter und sprang zurück hinter die Brüstung. Vermithrax und Merle folgten ihm.
    Der Löwe winkte Merle mit einem Scharren seiner Pranke herbei. »Steig auf!«
    Sie warf einen Blick zurück auf Winter und zögerte.
    »Was ist mit ihm? Auf deinem Rücken ist genug Platz für zwei.«
    Vermithrax wirkte alles andere als glücklich. »Muss das sein?«
    Merle sah noch einmal zu Winter hinüber, dann nickte sie.
    »Na gut. Kommt schon!«
    Merle erklomm den schwarzen Rücken des Löwen, Winter folgte ihr nach kurzem Zögern. Sie spürte, wie er hinter ihr Platz nahm und einen Augenblick lang nach der besten Position suchte. Dann blieb ihm gerade noch Zeit, sich festzuhalten, denn Vermithrax entfaltete seine Schwingen und beförderte sie mit einer kraftvollen Bewegung in die Luft.
    Sie schossen zwischen den Lippen des Herolds hindurch, gerade als sich das erste verwinkelte Bein eines Lilim über die Brüstung schob.
    Vermithrax jagte hinaus in die Halle. Unten am Boden wandten die Lilim die Köpfe, manche so behäbig wie Schildkröten, andere flink und mit tückischen Augen. Einige stießen schrille, animalische Laute aus, wieder andere artikulierte Worte in einer fremden Sprache. Über die Schulter sah Merle, wie sich eine ganze Flut von Kreaturen am Kinn des Herolds emporschob und in die Mundhöhle strömte. Jene mit den langen Gliedmaßen aber blieben zurück und starrten zu Vermithrax herauf. Einer gab eine Abfolge hoher, spitzer Laute von sich, und sofort änderte sich die Richtung des Lilimstroms. Wie zornige Ameisen schwärmten sie nach allen Seiten aus.
    Merle klammerte sich an Vermithrax’ Mähne, während er so hoch wie nur möglich aufstieg, bis knapp unter die Decke der Halle. Ihre Finger bekamen etwas zu fassen, das nicht dorthin gehörte. Als sie die rechte Hand hervorzog, sah sie, das sich etwas in Vermithrax’ Pelz verfangen hatte, eine der schwarzen Federn aus dem Ohr des Herolds. Nur dass es gar keine Feder war: Es war ein winziger schwarzer Krebs, so feingliedrig, dass sie seine Glieder für Daunen gehalten hatte. Er bewegte sich nicht, war offenbar tot. Also hatte sie in dem Ohr nicht auf den Überresten von Lilim gelegen, sondern auf den Lilim selbst. Der Gedanke bereitete ihr einen solchen Ekel, dass er einen Augenblick lang sogar ihre Furcht überdeckte. Sie hatte das Gefühl, sich am ganzen Körper kratzen zu müssen. Schaudernd warf sie einen letzten Blick auf das tote Krebswesen, dann schleuderte sie es in die Tiefe.
    Winter hatte erst versucht, sich an den Flanken des Löwen festzuklammern, legte nun aber von hinten einen Arm um Merles Taille, als sein Halt nicht mehr ausreichte. Sie hatte das Gefühl, als scheue er die Berührung; vielleicht aus Furcht, sie könne doch noch zu Eis erstarren.
    »Sie haben uns erwartet«, sagte die Königin.
    »Aber woher wussten sie, dass wir hier sind?« Es kümmerte Merle jetzt nicht mehr, dass Winter mithörte.
    »Vielleicht können sie einen von euch wittern.«
    »Oder dich.«
    Darauf erwiderte die Königin nichts. Womöglich zog sie den Gedanken tatsächlich in Erwägung.
    Der Obsidianlöwe flog über die Reihen der riesigen Schädel hinweg und hielt in Richtung des Tors, durch das die Herolde hereingekommen waren. Bis dorthin mussten es gut fünfhundert Meter sein. Von hier oben aus wirkte die Halle noch gigantischer.
    »Vermithrax!«
    Merle schrak zusammen, als sie Winters Ruf hörte.
    Mit seinen langen Fingern deutete ihr rätselhafter Begleiter nach oben. »Da kommen sie!«
    Der Obsidianlöwe flog schneller. »Ich sehe sie auch.«
    Merle schaute irritiert in die Richtung, in die Winter zeigte. Sie hatte fliegende Lilim erwartet, geflügelte Bestien wie jene, die sie im Felsspalt und über der Stadt gesehen hatten. Doch was sie jetzt erblickte, war etwas anderes.
    Die Lilim, die ihre Verfolgung aufgenommen hatten, flogen nicht - sie kletterten unter der Decke entlang!
    Es waren die gleichen, die sie schon unten am Boden gesehen hatte, langbeinig, spinnengleich und doch um ein Vielfaches fremdartiger als alles, was sie aus der Oberwelt kannte.
    Und sie waren unfassbar schnell.
    Vermithrax senkte seine Höhe wieder ein wenig, damit die Wesen ihn nicht von oben mit ihren langen Beinen erreichen konnten. Aber sie schienen jetzt von überall herzukommen, als

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