Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
erschüttert, er weinte! Er hatte ja mit ihr auch eine streitbare Mitkämpferin verloren. Die wahren Christen, klagte er, würden noch immer verfolgt und massakriert, obwohl hier bei uns im Westen die römischen Kaiser längst abgeschafft sind. Er nannte Caratene eine Märtyrerin.«
»Und hat er selber noch Untersuchungen angestellt, um sicherzugehen, dass du die Wahrheit gesagt hast?«, wollte Remigius wissen, wobei er die Griechin scharf ins Auge fasste.
»Schon möglich«, sagte sie, ohne zu zögern. »Wenn er es tat, so wird er zu keinem andern Ergebnis gekommen sein. Er beriet sich am selben Tag auch noch lange mit dem König Godegisel. Man nahm jedenfalls die Sache sehr ernst. Der Bischof brachte mich dann in der Stadt Genf bei einer rechtgläubigen Familie unter, und erst nach ein paar Tagen ließ er mich wieder rufen. Da sagte er mir, dass er es nach vielen Gebeten und reiflicher Überlegung für notwendig halte, die Königin Chlotilde – und auch dich, ehrwürdiger Vater – von allem zu unterrichten. Und dass dies am besten mündlich geschehen solle … denn wer wollte so furchtbare Anklagen gegen den burgundischen Oberkönig einem Brief anvertrauen! Der Vater Avitus fragte mich, ob ich dazu bereit sei – vom Segen des Herrn und einem als Pilgergruppe verkleideten Schutztrupp begleitet. Ich überlegte nicht lange. Zwar gehe ich ein erhebliches Risiko ein, indem ich hierher nach Soissons zurückkehre, doch bis heute hält Gott seine schützende Hand über mich. Ich vertraue jetzt auch auf die deinige.«
»Hast du Schutz denn so dringend nötig?«, fragte Remigius lächelnd, wiederum mit der Miene des Ahnungslosen. »Deine Nähe zu Syagrius wird dir hier keiner verübeln. König Chlodwig verfolgt niemanden aus der Umgebung seines Vorgängers.«
»Stelle dich nicht unwissend!«, erwiderte die schöne Griechin, wobei sie vorwurfsvoll auf den kleinen Glatzkopf an ihrer Seite herabsah. »Du erinnerst dich doch sehr gut an den Prozess gegen Baddo, den Mörder meines Gemahls. Syagrius verurteilte ihn zur Sklaverei und schickte ihn mit einem Treck nach Spanien. Damals wurde eifrig gemunkelt, ich sei seine Geliebte gewesen und hätte ihn zu der Untat angestiftet, um gleichzeitig sowohl meinen Gatten als auch ihn loszuwerden. Die böse Zunge der Titia war das vor allem – und du, ehrwürdiger Vater, warst leider das Echo ihrer Verleumdungen. Die Wahrheit ist, dass Baddo meinen Gatten aus Ehrgeiz beiseiteräumte, um seinen Posten als Oberaufseher der Ställe zu bekommen. Mich hasst er, weil ich damals wahrheitsgemäß aussagte, er habe mir vergeblich nachgestellt und nicht nur den Posten, sondern auch mich gewollt. Du selbst hast uns dann eines Tages berichtet, dass ihm die Flucht gelungen war. Hier bei seinen Franken war er dann endlich ein Großer, und das ist er wohl immer noch. Als ich mit Syagrius in Paris war, verlangte er dort meine Auslieferung. Und das tat er später, als wir weiter flohen, noch mehrmals. Er hat mir nicht das Geringste vorzuwerfen – doch er verfolgt mich! Ich habe Angst vor diesem Irrsinnigen. Wenn ich ihm in die Hände falle, wird er mich umbringen!«
»Er ist nicht hier«, sagte der Bischof besänftigend. »Er hält sich irgendwo an der Grenze bei den Bretonen auf. Es scheint sogar, dass er beim König seit einiger Zeit in Ungnade ist. Du kannst dich hier vor ihm sicher fühlen.«
»Das tue ich trotzdem nicht. Man könnte ihn verständigen. Ich bitte dich, sorge dafür, dass mich niemand wiedererkennt.«
»Und wie soll ich das tun? Hier gibt es noch Hunderte, die sich an dich erinnern werden.«
»So führe mich heimlich zur Königin. Ich werde hier ständig tief verschleiert gehen. Auch Chundo darf mich nicht erkennen. Der ist für mich nicht weniger gefährlich als Baddo. Er hasst mich – und übrigens auch dich. Er nannte dich immer einen Verräter unserer heiligen Kirche, weil du mit den Heiden paktiertest.«
»Das ist mir bekannt. Ich weiß, was ich von ihm zu halten habe.«
»Schütze mich also! Ich setze mein Leben ein, um deiner Königin einen Dienst zu erweisen. Vielleicht auch dem König – das wird sich noch zeigen. Sorge dafür, dass ich anständig unterkomme. Bedenke, ich kann nicht mehr zu den Burgundern zurück. Zu den Goten schon gar nicht. Ich vertraue dir. Du bist mir doch hoffentlich nicht mehr gram?«
»Oh nein«, sagte der kleine Bischof gedehnt und seufzte. »Nein, keineswegs. Im Gegenteil. Ich bin sehr froh darüber, dass wir dich
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