Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
wiederhaben.«
Kapitel 2
Remigius hielt die Kirche in der ehemaligen Sabaudus-Villa für den geeigneten Ort, um der Königin Chlotilde die Wahrheit über den Tod ihrer Eltern zu vermitteln.
Als die Geistlichen, darunter Chundo, nach dem Abendgottesdienst gegangen waren, um ihre Quartiere in der Stadt aufzusuchen, bat er Chlotilde, auch ihre Frauen fortzuschicken und noch ein paar Augenblicke zu bleiben. Dem Wunsch der Griechin entsprechend, war der Raum für den Fall, dass ein Unerwünschter dazukam, nur schwach beleuchtet, allein die beiden großen Altarkerzen brannten.
Auf ein Zeichen des Bischofs trat die hohe, dunkle Gestalt hinter einer der Säulen hervor, schlug den Schleier zurück und beugte das Knie vor der Königin.
Chlotilde bewahrte während der grausigen Enthüllungen, die nun folgten, vollkommen die Fassung. Nur bei den Einzelheiten vom Tod ihrer Mutter wankte sie leicht, und der Bischof und die Besucherin sprangen hinzu, um sie zu stützen. Als die Griechin mit ihrem Bericht zu Ende war, umarmte die Königin sie und sank dann vor dem Kreuz auf die Knie. In dieser Haltung verharrte sie und betete lange. Die beiden anderen zogen sich derweil stumm, um sie nicht zu stören, in den Hintergrund des Chorraums zurück.
Schließlich erhob sich Chlotilde. Und als habe sie dazu gerade die Inspiration empfangen, sprach sie mit harter Stimme den Satz: »Das wird, so Gott will, Chlodwig dem Gundobad heimzahlen!«
Sie begaben sich dann zu dritt in die Gemächer der Königin.
Hier sprach Chlotilde ausführlich mit Scylla-Donata und erkundigte sich vor allem nach ihrer Schwester Chrona. Die beiden Frauen fanden rasch Gefallen aneinander. Remigius hatte der Griechin empfohlen, kein Wort über ihre Vergangenheit zu verlieren, um vor der sittenstrengen Königin als Tochter eines Schiffskapitäns, als in einen Gattenmord verwickelte Witwe und als ehrgeizige Konkubine zweier Herrscher nicht von vornherein unglaubwürdig zu sein.
Auch dass sie die Mutter des derzeitigen westgotischen Thronfolgers war, musste verschwiegen werden, denn deren skandalöse Geschichte erzählte man sich an allen Höfen, und Chlotilde kannte sie natürlich.
Remigius stellte sie als geborene griechische Aristokratin vor, Tochter eines Gesandten des Kaisers, die einen Senator in Valence geheiratet hatte und sich nach dessen Tode eine Zeitlang in jenes Kloster zurückgezogen hatte, wo sie Chronas Bekanntschaft machte.
Er dachte dabei, dass er die Wahrheit gelegentlich nachreichen könnte, wenn sie weniger Schaden anrichten würde.
Chlotilde, die sich oft langweilte, war hocherfreut, eine so interessante Fremde kennenzulernen, die noch dazu ihren Glauben und – so schien es – auch ihre tiefe Frömmigkeit teilte. Als der Bischof sich verabschiedete, blieben die Frauen noch lange beieinander. Und es erheiterte Scylla-Donata, als sie dann zur Nachtruhe in ein Gemach geführt wurde, das sie in ihrer Zeit mit Syagrius ein paar Monate lang bewohnt hatte.
Am nächsten Morgen war es die Königin selbst, die ihren Gast weckte. Auf dem Arm trug sie dabei ihren Jüngsten, den kleinen Childebert, zwei Monate alt. Erfreut stellte sie fest, dass ihre neue Freundin etwas von Kindern und ihrer Wartung verstand.
Scylla-Donata gab vor, als Ehefrau in Valence selber ein Kind geboren, doch an den Tod, der noch immer die Hälfte aller Neugeborenen holte, verloren zu haben. Auch Chlotilde hatte ja diese Erfahrung gemacht, und so fanden die beiden gleich wieder ein Thema, über das sie sich gefühlvoll und gründlich austauschen konnten.
Dabei sahen sie zu, wie die Dienerinnen den Kleinen badeten. Die Griechin rieb ihn dann selber mit Öl ein und zeigte den Frauen, wie man mit dem in das Öl getauchten kleinen Finger des Säuglings seine Ohren und Nasenlöcher reinigte. Als Childebert zu schreien begann, ließ sie Honig bringen und bestrich damit sanft sein Zahnfleisch, worauf er sich schnell beruhigte und Appetit bekam. Chlotilde legte ihn sich selbst an die Brust, sie konnte diesmal auf eine Amme verzichten.
Dann trippelte auch der eineinhalbjährige Chlodomer herbei, und sie spielten eine Weile mit ihm und plauderten heiter und angeregt. Dabei blieb Scylla-Donata wachsam und achtete darauf, dass keiner sie sah, bevor sie selbst ihn gesehen hatte. Zum Glück gab es in der Umgebung der Königin nur Höflinge und Dienerschaft aus ihrer burgundischen Heimat, dazu ein paar fränkische Kammerfrauen. Von denen hatte niemand die Geliebte des einst hier
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