Die Merowinger - Chlodwigs Vermächtnis
sie mir etwas an, das ich nur mit großem Unbehagen hörte. Als Mitwisser ist man ja auch in Gefahr.«
»Und ist es das, was du der Königin mitteilen sollst?«
»Das und noch mehr. Vielleicht ist es gut, wenn du es zuerst erfährst. Weil du die Königin Chlotilde kennst und besser weißt, wie man es ihr beibringen kann, ohne ihre Gesundheit zu gefährden. Denn es ist schrecklich. Es ist grauenvoll.«
»Nun denn … so sprich. Erzähle es mir!«
»Der Vater der Schwestern, König Chilperich von Vienne, wurde ermordet. Sein eigener älterer Bruder hat es getan, der jetzt der Erste im Burgunderreich ist: König Gundobad. Er lockte Chilperich unter einem harmlosen Vorwand in seinen Palast und erschlug ihn dort mit dem Schwert.«
»Gott im Himmel! Davon weiß die Königin nichts!«
»Es wurde auch strengstens geheim gehalten. Nur die Frau des Ermordeten, Caratene, die Mutter der Schwestern, wusste es. Man begrub ihn heimlich und behauptete, dass er an einer Krankheit gestorben sei. Auch Caratene durfte nie und zu niemandem über die Untat sprechen – Gundobad drohte ihr für den Fall, dass sie es doch tat, auch sie und ihre Töchter zu töten. In dem Palast von Vienne, der ihm jetzt gehörte, hielt sie es nicht mehr aus. Sie floh mit den Kindern nach Genf zu ihrem Schwager Godegisel. Aber sie hütete sich zu reden. Erst als ihre jüngere Tochter außer Landes und verheiratet war, vertraute sie sich der älteren an, der Chrona. Sie war krank geworden und fürchtete zu sterben. Da wollte sie nicht, dass die Untat ganz in Vergessenheit geriet. Sie genas aber wieder.«
»Doch Chrona drohte nun, alles bekannt zu machen …«
»Ja, und das war der ausschlaggebende Grund dafür, dass König Gundobad als ihr Muntwalt befahl, sie ins Kloster zu stecken. Godegisel hatte ja von der Enthüllung nichts zu befürchten, sie hätte ihm sogar nützlich sein können. Denn er möchte die Oberherrschaft Gundobads loswerden und sucht nach Gründen für eine Empörung. Chrona lebte im Kloster nun in ständiger Angst, Caratene und ihr könnte etwas zustoßen. Ihre unbedachten Anspielungen und Drohungen waren für Gundobad ja der Beweis, dass ihre Mutter geredet hatte. Wie oft stürzte sie sich, zitternd am ganzen Leib, in meine Arme! Und eines Tages, vor etwas mehr als einem Monat …«
»… ist Frau Caratene dann tatsächlich gestorben.«
»Ja!«
»Das wussten wir schon. Es wurde Frau Chlotilde, unserer Königin, in einem Schreiben Godegisels mitgeteilt.«
»Was aber gewiss nicht mitgeteilt wurde …«
»Nun? Nun?«
»Auch sie starb keines natürlichen Todes.«
»Wie? Die Mutter der Königin? Auch sie …«
»Ermordet! Man fand sie gefesselt und geknebelt in einem Brunnen ihrer Landvilla bei Genf. Vorher hatte sie aus Lyon Besuch bekommen – von einigen Männern der Leibwache König Gundobads.«
»Und das ist wahr? Woher weißt du das?«
»Ich selber war in der Villa und sprach mit Zeugen. Es hat mich mein letztes Geld gekostet. Chrona beschwor mich, der Sache nachzugehen. Als die Äbtissin ihr mitteilte, dass ihre Mutter plötzlich gestorben sei, schrie sie wie wahnsinnig, dass es durch das ganze Kloster gellte: ›Ermordet! Ermordet! Von Gundobad umgebracht!‹ Darauf wurde sie eingesperrt, und einige Tage sah ich sie nicht. Ich fürchtete schon, dass sie heimlich beseitigt worden war. Dann erschien sie zwar wieder, war aber ständig bewacht von robusten Nonnen. Trotzdem gelang es uns, kurz miteinander zu flüstern. Ich meldete mich dann ab und ließ mich auf einem Bauernkarren zu der Villa bringen. O Jesus! Ich sah auf dem Grunde des ausgetrockneten Brunnens noch einen Schuh der Ermordeten und einen Gürtelanhänger!«
»Und kehrtest du ins Kloster zurück, um Chrona …«
»Nein, dazu hatte ich nicht den Mut. Ich erfuhr unterwegs, dass Vater Avitus zufällig in Genf beim König war. So ließ ich mich bei ihm melden, und er empfing mich.«
»War nun alles, was du ihm mitteiltest, neu für ihn, oder hatte er schon eine Ahnung gehabt?«
»Eine Ahnung … ja. Gerüchte über den Tod König Chilperichs gab es in Vienne schon, seit es geschehen war, vor etwa fünfzehn Jahren. Doch er hatte sie stets zurückgewiesen. Er sagte mir, dass er als Metropolit von fünfundzwanzig katholischen Diözesen äußerst vorsichtig sein musste. Sonst hätte er Verfolgungen riskiert, die im Burgunderreich derzeit zum Glück Vergangenheit sind.«
»Aber wie Frau Caratene ums Leben kam, war ihm neu.«
»Vollkommen. Er war
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