DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
König, seine Frau und seine Schwestern, als sie die Halle betraten. Fäuste trommelten auf die Tischplatten, Schwerter wurden klirrend gegeneinandergeschlagen.
Mit sicherem Sinn für seine neue, der früheren nicht mehr vergleichbaren Stellung hatte Chlodwig schon begriffen, dass er nicht mehr nur einfach da sein durfte, sondern dass er auftreten musste. Die Zeit der fröhlichen Kumpanei mit den Altersgenossen seiner Gefolgschaft war rasch und plötzlich zu Ende gegangen. Neben ihm gab es jetzt niemanden mehr, alles stand hinter und unter ihm.
Von den Hofschneidern des Syagrius hatte er sich nach eigener Anweisung einen lang fließenden Mantel von Purpurgewebe machen lassen. Er sollte dem des Herrschers auf dem Wandbild im Schlafgemach ähneln, und so hatte er die beflissenen Schneider sogar dorthin geführt, damit sie ihr Vorbild studierten. Das Werk gelang ihnen auch vortrefflich, der hohe Wuchs des Königs ließ das Kleidungsstück zu herrlicher Wirkung kommen.
Freilich wurde der edle Faltenwurf durch den breiten Gürtel verdorben, in dem die Franziska, die unverzichtbare fränkische Wurfaxt, steckte. Es fehlte dem jungen Herrscher auch noch die vornehme Haltung für ein solches Gewand wie überhaupt die Ruhe für einen würdigen Auftritt.
Leichtfüßig statt gemessen durchschritt er die Halle, mit einem Sprung war er auf dem Podium. Und als er seinen Platz erreicht hatte und der Begrüßungslärm immer noch anhielt, riss er in tollem Übermut plötzlich die Axt aus dem Gürtel, schleuderte sie und traf, zwanzig Schritte entfernt, einen hölzernen Pfeiler, wo sie stecken blieb – hart über dem Kopf eines Dieners in kurzer römischer Tunika, der ein Tablett mit gläsernen Bechern trug. Der Mann sprang erschrocken zur Seite, rutschte aus und fiel hin. Es gab Scherben und Gelächter.
Neben Chlodwig nahm Sunna Platz, still und unauffällig wie immer, den zweijährigen Therri auf dem Schoß. An ihrem Hals und ihren Armen blitzte und funkelte es, das hatte er angeordnet. Doch war die Wirkung, wie er vorausgesehen hatte, nur mäßig. So erhöht und herausgeputzt vor aller Augen sitzend, fühlte die kleine, rundliche Frau sich unbehaglich. Sie lächelte schüchtern, doch immer mit geschlossenem Munde, weil sie Zahnlücken hatte. Meist beschäftigte sie sich mit ihrem Sohn.
Ganz anders wussten Audofleda und Lanthild ihr königliches Geschmeide zur Geltung zu bringen.
Vor allem die ältere der Schwestern erregte allgemeine Bewunderung. Erhobenen Hauptes trug sie das golddurchwirkte Stirnband mit Rubinen und Smaragden, das Geschenk ihres Bruders. Ihr blondes, gewelltes Haar, aus dem die Dienerinnen nicht ohne Mühe Staub und Asche herausgewaschen hatten, glänzte noch feucht und fiel über den Rücken bis zum Gürtel herab. Stolz lachte sie in die Runde und genoss das Aufsehen und den Beifall. Die galloromanischen Offiziere, die in ihrer Nähe am Tisch saßen, überschütteten sie mit Schmeicheleien. Chlodwig bemerkte mit Genugtuung, dass der Wert ihrer Schönheit mächtig gestiegen war und dass er besonders auf diese Schwester, die so viele bewunderten und begehrten, ein wachsames Auge haben musste.
Auch Lanthild, die gerade Siebzehnjährige, trug ein kostbares, mit Steinen besetztes Band über dem kurzgeschnittenen dunklen Haar. Und obwohl sie sich ja in Hosen viel wohler fühlte, hatte auch sie sich, wie es der Bruder verlangte, in ein seidenes Kleid mit Stickereien, Schleifen und durchbrochenen Ärmeln gezwängt. Sie bewegte sich darin noch ungelenk, machte nach ihrer Gewohnheit große Schritte und lümmelte sich auf den Tisch wie ein Mann. Aber auch sie würde bald ein gewichtiger Posten in seiner Rechnung sein, dessen war Chlodwig sicher. Lanthild war in der Gefolgschaft besonders beliebt, und das Begrüßungsgeschrei galt ihr nicht weniger als dem König. Die Geschichte vom Ausflug der Merowingermädchen hatte sich schon herumgesprochen, und noch unzählige Male mussten sie sie im Laufe des Abends erzählen.
Doch zunächst erwartete sie eine Überraschung. Trotz des glimpflichen Ausgangs ihres Abenteuers hatten sie den ganzen Tag unter Spannung verbracht. Immer wieder hatten sie miteinander geflüstert: Wo war er? Wie ging es ihm? Er war doch nicht etwa verwundet oder sogar …? Vor Chlodwig hatten sie nicht einmal gewagt, seinen Namen zu nennen, geschweige denn, sich nach ihm zu erkundigen. Sie wussten, dass sie den Bruder damit erzürnen würden und dass er – nicht ganz zu Unrecht – argwöhnen
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