DIE MEROWINGER: Schwerter der Barbaren
alles andere beibringen!«
Chlodwig lachte auf und amüsierte sich über die Mienen der beiden, die auf seine Geschichte hereinfielen und ihre Betroffenheit nun nicht mehr verbergen konnten.
»Bestimmt hat er etwas angestellt!«, flüsterte Audofleda später ihrer Schwester ins Ohr. »Wieder etwas mit Weibern. Und nun bestraft ihn Chlodwig mit dieser Schnurrbärtigen.«
»Sieh nur, wie traurig er ist«, flüsterte Lanthild zurück. »Wir müssen unbedingt etwas tun, um ihn aufzuheitern!«
Die beiden beugten sich vor und blickten besorgt zum Ende des Tisches hin. Dort nippte Ansoald lustlos an seinem Becher, während ihm einer der galloromanischen Tribunen, den er wohl kaum verstand, beredt etwas auseinandersetzte.
Das Fest nahm seinen Lauf, und die von Anfang an frohe Stimmung wurde bald ausgelassen. Die Franken hielten nichts von den verfeinerten Tafelsitten der Römer. Es wurden zwar auch Krüge mit Wasser auf die Tische gestellt, und wer den Wein lieber mischte, konnte es tun. Doch taten dies nur einige einheimische Militärs aus dem Senatorenstand, die ihre Kultur betonen wollten. Alle anderen tranken den Wein lieber pur, und sie fanden auch nicht, dass sein Genuss den Geschmack für die Speisen abstumpfte. Eine Trennung von Mahlzeit und Trinkgelage, die römische Feinschmecker für notwendig hielten, gab es hier nicht.
Gleich nach Ansoald erschien Ursio, der für die Speisen zuständige Seneschalk, und ließ an Spießen gebratene Ochsen und Schweine hereintragen, die auf der Stelle von den Köchen zerteilt wurden. Vielen Franken dauerte das aber zu lange, sie sprangen einfach über die Tische und schnitten sich mit ihren Messern selber ein Stück aus dem Braten. Chlodwig, der solche Unordnung nicht mehr mochte, ließ sie diesmal gewähren, doch nahm er sich vor, künftig anzuordnen, dass jeder beim Mahl an seinem Platz blieb und auf die Bedienung wartete. Es wurden auch feinere Gerichte gebracht, mit denen die Köche des Palastes sich der neuen Herrschaft empfehlen wollten. Doch waren es wieder nur die aristokratischen Herren, die mit Appetit vom geschmorten Hasen und vom Wildschweinragout aßen. Chlodwig kostete, um seine Kennerschaft zu beweisen, die gepfefferten Fischröllchen und den Hühnersalat und nötigte auch Bobo, der in seiner Nähe saß und schon Unmengen Fleisch vertilgt hatte, seinem Beispiel zu folgen. Der Dicke würgte alles in sich hinein und dachte dabei an den Arrest in der Schatzkammer.
Schon zum Mahl spielten Musikanten auf. Nachdem die Spieße mit den Skeletten und die geleerten Schüsseln abgetragen, auch Tische und Fußboden gesäubert waren, traten Tänzer, Sänger und Schauspieler auf.
Ursio, der dabei in seinem Element war, fühlte sich auch für diesen Teil des Gelages zuständig. Mit Akrobaten und Komödianten hatte er eine Pantomime einstudiert, die die »Vertreibung und Flucht der feigen Cambraier und Tongerer« darstellte. Da sah man sie vom Portal her anrücken: den stotternden Ragnachar in der Sänfte, seinem Farro den Hintern leckend; den »goldenen« Richar auf seinem tänzelnden, von zwei Komödianten gemimten Pferd; den geilen Chararich mit vorgebundenem ledernen Riesenphallus, ein nacktes Mädchen hinter sich herzerrend. Plötzlich ertönte Trommelgetöse. Fackelträger schwirrten herein, sie stellten die Brandpfeile dar. Die »feigen Cambraier und Tongerer« schrien auf und gerieten in Panik, und eine wilde Flucht kreuz und quer, über Tische und Bänke begann.
Die Zuschauer brüllten vor Vergnügen, auch der König amüsierte sich.
Natürlich kippte die Sänfte, und die Insassen rollten über den Boden. »Farro« entleerte sich vor Angst, wozu ihm »Ragnachar« seinen Helm unterhielt und unaufhörlich »A-ana u-uert!« (Vorwärts, vorwärts!) stotterte. Dem »Chararich« riss die Nackte den Phallus ab und prügelte ihn damit, bis er hinsank. Und »Richar« wurde von seinem buckelnden Pferd immer wieder in die Höhe geschleudert, wobei der famose Akrobat jedes Mal einen Salto vollführte. Mit einem doppelten Salto landete er dann auf dem Boden und kroch, gefolgt von den anderen Helden, hinaus. An der Tür gerieten sie noch unter Wassergüsse, mit denen Diener die »Brandpfeile« löschten.
Nach dieser Darbietung war das Fest aus den Fugen, wie es sich für ein fränkisches Gelage gehörte. Bald hielt es kaum noch jemanden an seinem Platz. Alles grölte durcheinander. Gehör verschaffte sich, wer am lautesten schrie. Man gab Heldenstücke und Liebesabenteuer zum
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