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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Arbeit. Einige seiner Vorschläge bezüglich des Gebrauchs individueller Sichtweisen zur Definition von Dimensionen waren wahrhaft genial.
    Wie dem auch sei. Er hatte ein neues Projekt begonnen. Es ist eins der ganz großen, die ich normalerweise selbst ausführe oder sogar Zephkiel.‹ Sein Blick glitt aufwärts. ›Aber Carasel hatte so fabelhafte Leistungen erbracht. Und sein letztes Projekt war so bemerkenswert … Etwas, das auf den ersten Blick eher belanglos erscheint, doch er und Saraquael haben es erhöht zu …‹ Er zuckte die Schultern. ›Aber das ist unwichtig. Es war dieses Projekt, das ihn in die Nonexistenz getrieben hat. Doch keiner von uns hätte vorhersehen können …‹
    ›Was war sein aktuelles Projekt?‹
    Phanuel sah mich unverwandt an. ›Ich bin nicht sicher, ob ich dir das sagen darf. Alle neuen Entwürfe gelten als ausgesprochen sensible Angelegenheiten, bis wir sie in die endgültige Form bringen, in der sie schließlich Gesprochen werden sollen.‹
    Ich spürte, wie ich mich verwandelte. Ich weiß nicht so recht, wie ich Ihnen das erklären soll, aber plötzlich war ich nicht mehr ich … Ich war etwas Größeres, Gewaltigeres geworden. In einer Art Transfiguration wurde ich zur Personifizierung meines Zwecks.
    Phanuel konnte meinem Blick nicht standhalten.
    ›Ich bin Raguel, welcher ist die Rache des Herrn‹, sagte ich. ›Ich diene dem Namen unmittelbar. Es ist meine Mission, die Umstände dieser Tat zu enthüllen, und die Rache des Namens an den Verantwortlichen zu nehmen. Meine Fragen sind rückhaltlos zu beantworten!‹
    Der kleine Engel bebte und er sprach hastig.
    ›Carasel und sein Partner recherchierten für den Themenkomplex Tod . Das Aufhören von Leben. Das Ende der physischen, beseelten Existenz. Sie waren dabei, alle Aspekte zusammenstellen. Aber Carasel ging immer zu weit mit seinem Engagement für seine Aufgabe. Wir hatten allerhand auszuhalten mit ihm, als er Erschütterung ausgearbeitet hat. Das war, als er Emotionen entwarf …‹
    ›Du meinst, Carasel sei gestorben, um … um das Phänomen zu erforschen?‹
    ›Oder weil es seine Neugierde erweckt hat. Oder weil er seine Recherche zu weit getrieben hat, ja.‹ Phanuel streckte die Finger aus und ballte sie wieder zu losen Fäusten. Mit seinen strahlenden Augen starrte er mich an. ›Ich gehe davon aus, dass du nichts von all dem vor unbefugten Personen wiederholst, Raguel.‹
    ›Was hast du gemacht, als du die Leiche gefunden hattest?‹
    ›Ich kam aus der Halle, wie ich schon sagte, und da lag Carasel auf dem Gehweg und starrte in den Himmel. Ich fragte ihn, was er da machte und er gab keine Antwort. Dann bemerkte ich das Austreten innerer Flüssigkeiten und erkannte, dass Carasel nicht unwillig, sondern unfähig war, mir zu antworten.
    Ich fürchtete mich. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.
    Plötzlich stand der Engel Luzifer hinter mir. Er fragte, ob es irgendein Problem gäbe. Ich hab es ihm erzählt, ihm den Leichnam gezeigt. Und dann … dann kam seine Wahre Erscheinung über ihn und er kommunizierte mit dem Namen. Er leuchtete so strahlend hell.
    Dann sagte er, er müsse denjenigen holen, dessen Zweck auch solche Ereignisse hier umfasse, und er ging fort. Um dich zu suchen, nehme ich an.
    Da man sich nun von offizieller Seite um Carasels Hinscheiden kümmerte und alles Weitere mich eigentlich nichts anging, begab ich mich wieder an die Arbeit, nachdem ich ein neues – und ich nehme an, höchst wertvolles – Verständnis des Phänomens Bedauern gewonnen hatte.
    Ich erwäge, Carasels und Saraquaels Gruppe die Aufgabe Tod zu entziehen. Vielleicht übertrage ich sie Zephkiel, meinem Seniorpartner, wenn er sich ihrer annehmen will. Er ist unübertrefflich bei diesen kontemplativen Projekten.‹
    Inzwischen wartete schon eine ganze Schlange von Engeln darauf, mit Phanuel zu reden. Ich hatte das Gefühl, dass ich beinah alles gehört hatte, was hier zu erfahren war.
    ›Mit wem hat Carasel zusammengearbeitet? Wer hat ihn als Letzter lebend gesehen?‹
    ›Am besten sprichst du mit Saraquael. Er war schließlich sein Partner. Und wenn du mich jetzt bitte entschuldigst …‹
    Er wandte sich dem Schwarm seiner Helfer zu, beriet, korrigierte, schlug vor oder untersagte.«
    Der Mann schwieg.
    Auf der Straße herrschte jetzt Stille. Ich entsinne mich an das gedämpfte Flüstern seiner Stimme, das Zirpen einer Grille irgendwo in der Nähe. Ein kleines Tier – eine Katze vielleicht oder irgendetwas

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