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Die Messerknigin

Titel: Die Messerknigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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Reihe um Reihe vergammelter Wohnwagen, die niemals irgendwohin fuhren.
    Ich zog mich an, stieg in meine Stiefel, streifte den Mantel über und verließ das Zimmer. Meine Wirtin war nirgends zu sehen. Sie war eine kleine, glupschäugige Frau, die wenig sprach, obwohl sie ausführliche schriftliche Mitteilungen für mich verfasste und an die Tür oder sonstwohin pappte, wo ich sie finden würde. Ständig war das Haus vom Geruch nach kochenden Meeresfrüchten erfüllt, denn riesige Töpfe köchelten unablässig auf ihrem Herd, gefüllt mit irgendwelchen Dingern, die zu viele Beine hatten, oder anderen, die überhaupt keine Beine hatten.
    Es gab weitere Zimmer im Haus, aber niemand außer mir hatte eines gemietet. Niemand bei klarem Verstand würde im Winter nach Innsmouth kommen.
    Vor dem Haus roch es nicht viel besser, doch wenigstens war es kälter. Mein Atem dampfte in der Seeluft. Der Schnee auf der Straße war verharscht und verdreckt und die Wolken verhießen weitere Schneefälle.
    Ein kalter, salziger Wind wehte von der Bucht herüber. Die Möwen schrien kläglich. Ich fühlte mich beschissen. In meinem Büro war es sicher auch eiskalt. An der Ecke Marsh Street und Leng Avenue war eine Bar, The Opener , ein gedrungenes Bauwerk mit winzigen, dunklen Fenstern, an dem ich in den letzten vierzehn Tagen zwei Dutzend Mal vorbeigekommen war. Ich hatte es noch nie betreten, aber ich brauchte wirklich was zu trinken und vielleicht war es da ja wärmer. Ich drückte die Tür auf.
    In der Bar war es tatsächlich warm. Ich stampfte, bis der Schnee von meinen Stiefeln fiel, dann trat ich ein. Der Schankraum war fast leer und roch nach alten Aschenbechern und schalem Bier. Zwei ältere Männer saßen an der Theke und spielten Schach. Der Barkeeper las eine alte, zerfledderte, in goldenes und grünes Leder gebundene Ausgabe der Gedichte von Alfred Lord Tennyson.
    »Hey. Kann ich einen Jack Daniel’s bekommen? Pur, ohne Eis.«
    »Sicher. Sie sind neu in der Stadt«, verkündete er, legte sein Buch aufgeschlagen auf die Theke und schenkte ein.
    »Sieht man das?«
    Er lächelte und reichte mir meinen Jack Daniel’s. Das Glas war schmutzig, hatte einen schmierigen Daumenabdruck an der Seite, aber ich zuckte die Schultern und kippte meinen Whiskey. Ich schmeckte so gut wie nichts.
    »Ist das Ihr Katerfrühstück?«, fragte der Barkeeper, dessen fuchsrote Haare mit Pomade zurückgekämmt waren.
    »Wenn Sie so wollen.«
    »Manche Leute glauben, man könne einem Lykanthropen seine natürliche Gestalt zurückgeben, indem man ihm dankt, während er in Wolfsgestalt ist, oder ihn beim Namen ruft.«
    »Ehrlich? Tja, vielen Dank.«
    Ungebeten schenkte er mir nach. Er sah ein bisschen wie Peter Lorre aus, aber die meisten Leute in Innsmouth sehen ein bisschen wie Peter Lorre aus, meine Wirtin eingeschlossen.
    Ich leerte mein Glas. Dieses Mal spürte ich den Whiskey bis in den Magen hinab brennen, so wie es sein sollte.
    »So sagt man. Das heiß nicht, dass ich das glaube.«
    »Was glauben sie denn?«
    »Den Gürtel verbrennen.«
    »Wie bitte?«
    »Lykanthropen haben Gürtel aus menschlicher Haut, den sie bei ihrer ersten Transformation von ihren Herren in der Hölle bekommen. Man muss den Gürtel verbrennen.«
    Einer der alten Schachspieler wandte sich zu mir um, seine riesigen Augen waren blind und hervorquellend. »Wenn man aus dem Pfotenabdruck eines Wargs Regenwasser trinkt, verwandelt man sich bei Vollmond in einen Wolf«, sagte er. »Das Einzige, was man tun kann, ist, den Wolf zu jagen, der den Abdruck hinterlassen hat, und seinen Kopf mit einer Klinge aus gediegenem Silber abtrennen.«
    »Gediegen, ja?« Ich lächelte.
    Sein Schachpartner, kahl und runzelig, schüttelte den Kopf und gab einen Quaklaut von sich. Dann bewegte er seine Königin und quakte noch einmal.
    Leute wie ihn findet man überall in Innsmouth.
    Ich bezahlte meine Drinks und ließ einen Dollar Trinkgeld auf der Theke liegen. Der Barkeeper las wieder in seinem Buch und würdigte den Schein keines Blickes.
    Draußen fielen dicke weiße Schneeflocken, landeten wie nasse Küsse auf dem Gesicht und verklebten mir die Haare und Wimpern. Ich hasse Schnee. Ich hasse Neuengland. Ich hasse Innsmouth, es ist kein Ort, um allein zu sein. Aber wenn es überhaupt einen guten Ort gibt, um allein zu sein, habe ich ihn noch nicht gefunden. Wie dem auch sei, die Geschäfte zwangen mich seit mehr Monden, als ich zurückdenken wollte, in Bewegung zu bleiben. Geschäfte und andere

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