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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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wurde mir klar, daß ich hier bleiben würde und noch ein langes Leben vor mir hatte. Tage und Nächte hatten die gleiche Dauer von zwölf Stunden, und ich ahnte, daß es das ganze Jahr lang so bleiben würde und daß die durch die Große Dürre hervorgerufenen astronomischen Veränderungen hier eine Region geschaffen hatten, in der es keine jahreszeitlichen Unterschiede gab und in der ständig die Verhältnisse eines Sommeranfangs herrschten.
    Ziemlich schnell verlor ich die Gewohnheit, zu regelmäßigen Zeiten zu schlafen; ich schlief in Zeitspannen von ein oder zwei Stunden, sowohl am Tag wie in der Nacht, ohne jedoch zu wissen, warum ich jedesmal das Bedürfnis empfand, mich in eine der Vertiefungen zu legen. Ich konnte keine Spur von pflanzlichem oder tierischem Leben entdecken. Überhaupt bot diese Landschaft so gut wie keine Anhaltspunkte: Soweit das Auge reichte, erstreckten sich Sandbänke, Tümpel und Seen von unterschiedlicher Größe. Die dichte Wolkenschicht erlaubte es nur selten, den Himmel zu sehen; dabei war sie nicht völlig regungslos, aber sie bewegte sich nur äußerst langsam. Manchmal entstand ein kleiner Spalt zwischen zwei Wolkenmassen, so daß man die Sonne oder die Sterne sehen konnte; das war das einzige Ereignis, die einzige Veränderung im Ablauf der Tage. Das Universum war wie von einem Wattebausch umgeben, befand sich in einem Zustand der Stase, der dem Urbild der Ewigkeit ähnelte. Ich kannte wie alle Neo-Menschen keine Langeweile: Begrenzte Erinnerungen, belanglose Träumereien beschäftigten mein teilnahmsloses, ziellos kreisendes Bewußtsein. Dennoch erfüllte mich keine Freude und auch kein wirklicher Seelenfrieden; allein die Tatsache zu leben ist schon ein Unglück. Da ich aus freien Stücken den Zyklus von Tod und Wiedergeburt verlassen hatte, ging ich dem simplen Nichts entgegen, der reinen Inhaltslosigkeit. Nur den Zukünftigen würde es vielleicht gelingen, in das Reich der unzähligen Möglichkeiten zu gelangen.
    Im Verlauf der folgenden Wochen wagte ich mich in meiner neuen Umgebung weiter vor. Ich bemerkte, daß die Teiche und Seen größer wurden, je weiter man nach Süden ging, und daß man bei manchen von ihnen sogar eine leichte Gezeitenbewegung beobachten konnte; sie blieben jedoch sehr seicht, und ich konnte getrost bis zu ihrer Mitte schwimmen, in der sicheren Gewißheit, daß ich ohne Schwierigkeiten eine Sandbank erreichen würde. Es war noch immer keine Spur von Leben zu entdecken. Ich glaubte mich daran zu erinnern, daß das Leben unter ganz besonderen Umständen auf der Erde aufgetaucht war — in einer aufgrund der regen Vulkantätigkeit der Anfangszeit mit Ammoniak und Methan gesättigten Atmosphäre — und daß eine Wiederholung dieses Prozesses auf dem gleichen Planeten äußerst unwahrscheinlich war. Da das organische Leben sowieso von Bedingungen abhing, deren Grenzen die Gesetze der Thermodynamik bestimmten, würde es, falls es zu einem Neubeginn kommen sollte, zwangsläufig nach dem gleichen Schema ablaufen: Erschaffung von Einzelwesen, räuberisches Verhalten, selektive Weitergabe des genetischen Codes; davon war nichts Neues zu erwarten. Manchen Hypothesen zufolge war die Zeit der auf Kohlehydratstoffwechsel basierenden Lebewesen vorbei, die Zukünftigen würden Wesen auf Siliziumbasis sein, deren Zivilisation durch die progressive Vernetzung kognitiver und softwaregestützter Prozessoren entstehen würde; die Arbeiten von Pierce, die sich nur im Bereich der formalen Logik bewegen, erlauben es nicht, diese Hypothese zu bestätigen oder zu widerlegen.
    Falls die Region, in der ich mich befand, bewohnt sein sollte, dann auf jeden Fall nur von Neo-Menschen, nie hätte der Organismus eines Wilden den Weg überstehen können, den ich zurückgelegt hatte. Jetzt machte ich mich eher betrübt denn freudig daraufgefaßt, einem meiner Artgenossen zu begegnen. Der Tod von Fox und dann das Überqueren der Großen Grauen Ebene hatten mich innerlich abstumpfen lassen; ich spürte keinerlei Begierde in mir, vor allem nicht die von Spinoza beschriebene, an meinem Sein festzuhalten; dennoch bedauerte ich, daß die Welt mich überleben würde. Die Nichtigkeit der Welt, die schon im Lebensbericht von Daniel1 klar zum Ausdruck kam, war mir inzwischen unerträglich geworden. Ich sah in ihr jetzt nur noch einen trüben Ort ohne Licht und ohne Möglichkeiten.
    Eines Morgens fühlte ich mich gleich nach dem Aufwachen ohne erkennbaren Grund weniger bedrückt. Nachdem ich

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