Die Mglichkeit einer Insel
vielleicht an schmelzendes Helium oder an seine Verdauungsstörungen, und Fadiah wichste sich einen ab. Jedem das Seine, je nach Charisma.
Daniel24,9
Eine gewisse Freude geht von der Welt des Sinnlich-Faßbaren aus. Ich fühle mich der Erde verbunden.
Die tiefschwarzen Felsen der Steilküste fallen in senkrechten Absätzen bis in eine Tiefe von dreitausend Metern hinab. Dieser Anblick, der die Wilden erschreckt, ruft in mir keinerlei Entsetzen hervor, ich weiß, daß sich kein Ungeheuer in den Tiefen des Abgrunds verbirgt; es gibt nur noch das Feuer, das Feuer des Ursprungs.
Die Eisschmelze begann gegen Ende der Ersten Verringerung und ließ die Erdbevölkerung von vierzehn Milliarden auf siebenhundert Millionen Menschen schrumpfen.
Die Zweite Verringerung ging schrittweise vor sich; sie vollzog sich während der gesamten Großen Dürre und dauert noch heute an.
Die Dritte Verringerung wird die letzte sein; sie steht uns noch bevor.
Niemand kennt den Grund oder die wirkende Ursache für die Große Dürre. Man hat natürlich nachgewiesen, daß sie auf die Veränderung der Drehachse der Erde auf ihrer Umlaufbahn zurückgeht; aber vom Standpunkt der Quantenphysik wird die Sache als unwahrscheinlich erachtet.
Die Große Dürre war eine notwendige Parabel, lehrt uns die Höchste Schwester, eine theologische Bedingung für die Rückkehr der Feuchtigkeit.
Die Große Dürre wird lange dauern, lehrt uns ebenfalls die Höchste Schwester.
Die Rückkehr der Feuchtigkeit wird das Zeichen für die Ankunft der Zukünftigen sein.
Daniel1,10
»Gott gibt es, ich bin reingetreten.«
anonym
Von meinem ersten Aufenthalt bei den Sehr Gesunden ist mir vor allem ein Skilift im Nebel in Erinnerung geblieben. Der Sommerlehrgang fand in Herzegowina oder so einer ähnlichen Region statt, die vor allem für ihre blutigen Konflikte bekannt ist. Dabei war das alles sehr nett, die Berghütten, der Gasthof aus dunklem Holz mit rotweißkarierten Vorhängen und Wildschwein- oder Hirschköpfen als Wandschmuck, richtig zentraleuropäischer Kitsch, der mir immer gefallen hat. »Ach, der Krieg, ein Wahnsinn des Menschen, so ein Malheur …«, sagte ich mir und ahmte dabei unwillkürlich die Stimme von Francis Blanche nach. Ich war seit langem Opfer einer Art geistiger Echolalie, bei der ich aber nicht bekannte Melodien wiederholte, sondern die Intonation berühmter Komiker: Wenn ich zum Beispiel hörte, wie Francis Blanche in Babette zieht in den Krieg »KOL-LOS-SALE SCHIES-SE-REI!« sagt, fiel es mir schwer, das wieder aus meinem Kopf zu kriegen, ich mußte mich sehr anstrengen. Mit Louis de Funès war es noch schlimmer: Seine Stimmlage, seine Mimik, seine Gesten verfolgten mich stundenlang, ich war wie besessen.
Im Grunde hatte ich viel gearbeitet, sagte ich mir, ich hatte mein ganzes Leben lang ununterbrochen gearbeitet. Den Schauspielern, die ich mit zwanzig kennengelernt hatte, war kein Erfolg vergönnt, das stimmt, die meisten von ihnen hatten sogar den Beruf gewechselt, aber man muß auch dazusagen, daß sie fast nichts getan hatten, sie verbrachten ihre Zeit damit, in Bars oder Schickimicki-Lokalen herumzusitzen und einen zu trinken. Währenddessen saß ich allein in meinem Zimmer und übte stundenlang meine Sketche ein, bis jede Stimmlage, jede Geste stimmte. Außerdem schrieb ich meine Sketche selbst, ich schrieb sie tatsächlich, es hat Jahre gedauert, ehe mir das etwas leichter fiel. Vermutlich arbeitete ich so viel, weil ich nicht fähig war, mich zu zerstreuen, und mich in Bars oder Schickimicki-Lokalen nicht wohl gefühlt hätte, ebensowenig wie auf Cocktailparties von Modeschöpfern oder bei VIP-Veranstaltungen; mit meinem gewöhnlichen Aussehen und meinem introvertierten Temperament hatte ich wenig Chancen, auf Anhieb der King der Fete zu sein. Ich hatte also gearbeitet, weil mir nichts anderes übrig blieb, und ich hatte meine Revanche gehabt. In meiner Jugend war ich im Grunde ähnlich eingestellt gewesen wie Ophelie Winter, als sie im Hinblick auf ihre Umgebung gesagt hatte: »Lacht ruhig, ihr blöden Ärsche. In ein paar Jahren stehe ich auf dem Podium, und dann stecke ich euch alle in die Tasche.« Das hatte sie in einem Interview in 20 Ans erklärt.
Ich mußte endlich aufhören, an 20 Ans zu denken, und mußte auch aufhören, an Isabelle zu denken; ich mußte im Grunde aufhören, überhaupt an irgend etwas zu denken. Ich ließ meinen Blick auf den feuchten grünen Hängen ruhen und versuchte nur noch
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