Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
Vom Netzwerk:
ziemlich alles. Mir hatte so etwas schon immer gut gefallen, aber das soll nicht heißen, daß ich einen Steifen bekam.
    Das Paar gehörte einer elohimitischen Sekte an, das heißt, sie verehrten außerirdische Wesen, Elohim genannt, die für die Schöpfung der Menschheit verantwortlich waren, und sie erwarteten deren Rückkehr. Ich hatte noch nie etwas von diesem Quatsch gehört und lauschte ihnen daher beim Abendessen mit einer gewissen Aufmerksamkeit. Ihnen zufolge ging alles auf eine falsche Übertragung in der Genesis zurück: Der Schöpfer, Elohim, war nicht als Singular, sondern als Plural zu betrachten. Unsere Schöpfer hatten nichts Göttliches und nichts Übernatürliches; sie waren ganz einfach materielle Wesen, die weiter entwickelt waren als wir und die bereits die Raumfahrt und die Erschaffung des Lebens beherrschten; sie hatten auch das Altern und den Tod besiegt und warteten nur darauf, ihre Geheimnisse mit den Verdienstvollsten unter uns zu teilen. Aha, sagte ich mir, damit fangen die also die Mäuse.
    Damit die Elohim wiederkommen und uns offenbaren, wie wir dem Tod entrinnen können, müssen wir (das heißt die Menschheit) ihnen zunächst ein Botschaftsgebäude bauen. Keinen Kristallpalast mit Mauern aus Hyazinth und Beryll, nein, nein, irgend etwas Einfaches, Modernes und Angenehmes — allerdings mit einem gewissen Komfort, der Prophet glaubte zu wissen, daß sie Whirlpools schätzen (denn es gab einen Propheten, er stammte aus Clermont-Ferrand). Als Standort für die Botschaft hatte er zunächst ganz traditionsgemäß an Jerusalem gedacht; aber da gab es einige Schwierigkeiten, Streitigkeiten mit den Nachbarn, also es war wohl nicht der richtige Moment. Eine zwanglose Unterhaltung mit einem Rabbiner aus dem Messiasausschuß (ein israelisches Gremium, das für solche Dinge zuständig war) brachte ihn auf eine andere Spur. Das Land der Juden war offensichtlich nicht der richtige Ort dafür. Als der Plan entstand, Israel zu gründen, hatte man natürlich sofort an Palästina gedacht, aber auch an andere Regionen wie Texas oder Uganda — zwar auch ein bißchen gefährlich, aber nicht ganz so; um es kurz zu machen, fuhr der Rabbiner leutselig fort, man sollte die Sache nicht nur vom geographischen Standpunkt aus sehen. Gott ist überall, rief er, seine Gegenwart erfüllt das ganze Universum (ich meine, sagte er entschuldigend, zumindest für Sie, die Elohim).
    Der Prophet sah das zwar anders, für ihn waren die Elohim auf dem Planeten der Elohim angesiedelt, und ab und zu unternahmen sie eine Reise, das war alles; aber er wollte sich nicht auf ein weiteres geographisches Streitgespräch einlassen, denn die Unterhaltung hatte ihn aufgebaut. Wenn die Elohim bis nach Clermont-Ferrand gekommen waren, sagte er sich, mußte es dafür ja wohl einen Grund geben, der vielleicht mit der geologischen Beschaffenheit der Gegend zusammenhing; in vulkanischen Regionen pulsiert eben verdammt viel, das weiß ja jeder. Daher, sagte Patrick zu mir, hat sich der Prophet nach einer kurzen Erhebung für Lanzarote entschieden, eine der kanarischen Inseln. Das Gelände ist bereits gekauft, jetzt steht dem Beginn der Bauarbeiten nichts mehr im Weg.
    Wollte er mich vielleicht damit auffordern, Geld in das Projekt zu investieren? Nein, nein, beruhigte er mich, das ist bei uns eine völlig klare Angelegenheit, die Beiträge sind sehr niedrig, und jeder kann die Abrechnungen überprüfen, wann es ihm paßt. Wenn du wüßtest, was ich in Luxemburg manchmal für andere Kunden mache … (wir hatten uns sehr bald geduzt), nein, auf dem Gebiet sind wir völlig unangreifbar.
    Während ich mein Glas Kirschwasser leerte, sagte ich mir, daß sich Patrick für eine originelle Synthese aus der materialistischen Anschauung seines Vaters und der astralen Marotte seiner Mutter entschieden hatte. Anschließend gingen wir zu dem üblichen Programm Harfe - Sterne über. »Waauuh! Irre!…«, rief Fadiah, als sie die Saturnringe sah, ehe sie sich in einem Liegestuhl ausstreckte. Ja, ja, der Himmel in dieser Gegend war wirklich ausgesprochen klar. Als ich mich umdrehte, um mir die Flasche Kirschwasser zu schnappen, sah ich, daß Fadiah die Beine gespreizt hatte, und mir schien, soweit in der Dunkelheit überhaupt etwas zu erkennen war, als habe sie die Hand unter ihren Rock geschoben. Wenig später hörte ich sie keuchen. Während wir die Sterne beobachteten, dachte Harry also an Gott im Punkt Omega, Robert der Belgier an was weiß ich,

Weitere Kostenlose Bücher