Die Mglichkeit einer Insel
und er vermutlich Kunstrasen verwenden würde.
Dann folgte ein Finale, bei dem man in die Lüfte aufstieg und die Gesamtstruktur der Botschaft entdeckte — einen Stern mit sechs Zacken, deren Spitzen gekrümmt waren —und anschließend, in einer schwindelerregenden Kamerafahrt nach hinten, die Kanarischen Inseln und dann den gesamten Erdball, wobei die ersten Takte von Also sprach Zarathustra erklangen. Anschließend wurde es still, während auf der Leinwand wirre Bilder galaktischer Spiralnebel aufeinander folgten. Dann verschwanden auch diese Bilder, und ein Lichtkegel wurde auf die Bühne gerichtet, um den Auftritt des Propheten zu begleiten, der in seinem prunkvollen Festtagsgewand aus weißem Satin mit Einsätzen, die diamantenes Feuer versprühten, leichtfüßig die Stufen erklomm. Tosender Beifall erfüllte den Saal, alle erhoben sich klatschend und schrien: »Bravo!« Wie Vincent fühlte ich mich mehr oder weniger gezwungen, ebenfalls aufzustehen und zu klatschen. Das dauerte wenigstens zwanzig Minuten: Manchmal wurde der Applaus schwächer, schien zu verebben; doch dann kam eine neue, noch stärkere Welle, die vor allem von Flics Umgebung, einer kleinen Gruppe aus der ersten Reihe, ausging und sich über den ganzen Saal ausbreitete. Fünfmal wurde der Beifall schwächer, und fünfmal schwoll er wieder an, ehe der Prophet, der vermutlich gespürt hatte, daß die Sache bald zu Ende ging, die Arme weit ausbreitete. Sofort trat Stille ein. Mit tiefer Stimme, die ziemlich beeindruckend war, wie ich zugeben muß (allerdings verstärkte die Anlage vor allem das Echo und die Bässe), stimmte er die ersten Takte des Gesangs zur Begrüßung der Elohim an. Mehrere Leute in unserer Nähe sangen die Worte halblaut mit: »Wir er-bau-en die neu-e Bot-schaft…« Die Stimme des Propheten kletterte in eine höhere Tonlage. »Mit Hil-fe all de-rer, die uns lie-ben.« Immer mehr Anhänger rings um uns herum sangen mit. »Ih-re Pfei-ler und Säu-len-gän-ge.« Der Rhythmus wurde langsamer und unbestimmter, ehe der Prophet mit triumphierender Stimme, die mächtig verstärkt wurde und durch die ganze Höhle dröhnte, den Gesang wieder aufnahm: »Das neu-e Je-ru-sa-lem! …« Derselbe Mythos, derselbe Traum, mit unverminderter Kraft nach über zweitausend Jahren. »Und er wird all ih-re Trä-nen trock-nen …« Eine Welle der Emotion durchlief die Menge, und alle sangen im Anschluß an den Propheten den Refrain mit, der nur aus einem einzigen, in drei Tönen endlos wiederholten Wort bestand: »Eeee-looo-him! … Eeee-looo-him! …« Flic hatte die Arme dem Himmel entgegengestreckt und sang mit Stentorstimme. Ein paar Meter von mir entfernt entdeckte ich Patrick, der mit geschlossenen Augen die Hände in einer fast ekstatischen Haltung ausgebreitet hatte, während Fadiah sich neben ihm auf der Stelle wand und unverständliche Worte psalmodierte — sie hatte wohl die Reflexe ihrer Vorfahren aus der Pfingstbewegung wiedergefunden.
Danach wurde wieder meditiert, diesmal jedoch in der stillen dunklen Höhle, ehe der Prophet erneut das Wort ergriff. Alle hörten ihm nicht nur andächtig, sondern mit einer stummen, abgöttischen Freude zu, die an Verzückung grenzte. Das ging wohl vor allem auf den weichen, lyrischen Klang seiner Stimme zurück, auf die Art, wie er manchmal zarte, meditative Pausen einlegte und dann wieder in ein begeistertes Crescendo überging. Sein Vortrag selbst kam mir anfangs etwas unzusammenhängend vor: Er ging von der Vielfalt der Formen und Farben in der Tierwelt aus (er forderte uns auf, über die Schmetterlinge zu meditieren, die anscheinend nur dazu da waren, uns mit ihrem reizenden Flattern zu entzücken) und kam dann auf die grotesken Fortpflanzungsriten mancher Tierarten zu sprechen (er ließ sich zum Beispiel über eine Insektenart aus, bei der das Männchen, fünfzigmal kleiner als das Weibchen, lange Zeit als Parasit im Hinterleib desselben lebt, ehe es herauskommt, um das Weibchen zu befruchten, und gleich darauf stirbt; er hatte wohl in seiner Bibliothek ein Buch, das Biologische Spielereien oder so ähnlich hieß, ich nehme an, daß es in allen Fachrichtungen einen entsprechenden Titel gab). Diese etwas wirre Anhäufung von Beispielen brachte ihn dann jedoch auf einen Leitgedanken, den er uns gleich darauf auseinandersetzte: Die Elohim, die uns geschaffen hatten, uns und alles Leben auf dieser Erde, seien zweifellos hochqualifizierte Wissenschaftler, und wir sollten ihrem Beispiel folgen und
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