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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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die Wissenschaft, die Grundlage aller praktischen Errungenschaften, verehren, respektieren und ihr die Mittel gewähren, die für ihre Entwicklung nötig waren; und wir könnten uns im übrigen dazu beglückwünschen, daß wir einen der weltweit bedeutendsten Wissenschaftler unter uns hätten (er zeigte auf Miskiewicz, der sich unter donnerndem Applaus erhob und die Menge steif grüßte); aber auch wenn die Elohim Hochachtung vor der Wissenschaft hätten, seien sie in erster Linie Künstler: Die Wissenschaft sei nur das notwendige Mittel für die Realisierung der phantastischen Vielfalt des Lebens, die man nicht anders als ein Kunstwerk betrachten könne, das großartigste aller Kunstwerke. Nur hervorragende Künstler könnten eine solche Fülle, eine solche Schönheit, eine so bewundernswerte Vielfalt an ästhetischer Phantasie erschaffen. »Daher ist es für uns eine große Ehre«, fuhr er fort, »bei diesem Seminar zwei weltweit anerkannte Künstler von außergewöhnlichem Talent in unserer Mitte zu haben …« Er gab uns ein Zeichen. Vincent stand zögernd auf, ich tat es ihm gleich. Nach kurzer Unschlüssigkeit rückten die Leute um uns zurück, bildeten einen Kreis und klatschten uns lächelnd Beifall. Ich entdeckte Patrick in ein paar Metern Entfernung; er applaudierte mir und wirkte immer gerührter.
    »Die Wissenschaft, die Kunst, die Schöpfung, die Schönheit, die Liebe … Das Spiel, die Zärtlichkeit, das Lachen … Meine lieben Freunde, wie schön ist doch das Leben! Es ist so wunderbar, daß wir uns wünschten, es könne ewig dauern! … Und das, meine lieben Freunde, wird möglich sein, wird sehr bald möglich sein … Das Versprechen wurde gegeben, und es wird gehalten.«
    Nach diesen Worten von eschatologischer Zärtlichkeit verstummte er und blieb eine Weile still, ehe er wieder den Gesang zur Begrüßung der Elohim anstimmte. Diesmal sang die gesamte Zuhörerschaft mit und klatschte dabei langsam im Takt; Vincent neben mir sang aus vollem Hals, und ich selbst war nahe daran, ein richtiges Gemeinschaftsgefühl zu empfinden.
    Um zweiundzwanzig Uhr ging das Fasten zu Ende, und unter dem Sternenhimmel wurden große Tische aufgestellt. Man forderte uns auf, uns irgendwo hinzusetzen, ohne auf die üblichen freundschaftlichen Beziehungen Rücksicht zu nehmen, was durch die fast völlige Dunkelheit erleichtert wurde. Der Prophet setzte sich an einen Tisch auf einem Podium, und alle senkten den Kopf, während er ein paar Worte über den ungeheuren Geschmacksreichtum aller Gaben der Natur sprach, über diese weitere Quelle des Vergnügens, das wir durch das eintägige Fasten noch besser würdigen könnten; er erwähnte auch, wie wichtig es sei, langsam zu kauen. Dann wechselte er das Thema und bat, wir sollten uns auf den wunderbaren Menschen konzentrieren, den wir uns gegenüber entdecken würden, und überhaupt auf all diese wunderbaren Menschen im Glanz ihrer herrlich entwickelten Individualität, deren Unterschiedlichkeit uns auch da wieder eine unerhörte Vielfalt von Begegnungen, Freuden und Vergnügen versprach.
    Mit leisem Zischen und leichter Verspätung flammten die Gaslampen an den Enden der Tische auf. Ich hob den Blick: Auf meinem Teller lagen zwei Tomaten; vor mir saß ein ausgesprochen hübsches Mädchen von etwa zwanzig Jahren mit schneeweißer Haut und einem Gesicht, dessen reine Züge an Botticelli erinnerten; ihr dichtes schwarzes gekräuseltes Haar reichte bis zur Taille. Sie machte das Spiel ein paar Minuten mit, lächelte mir zu, sprach mit mir, versuchte mehr über den wunderbaren Menschen herauszufinden, der ich sein könnte; sie selbst hieß Francesca und war Italienerin, genauer gesagt, sie stammte aus Umbrien, studierte aber in Mailand; sie kannte die elohimitische Lehre seit zwei Jahren. Ziemlich schnell jedoch schaltete sich ihr Freund, der rechts neben ihr saß, in das Gespräch ein; er hieß Gianpaolo und war Schauspieler — oder zumindest hatte er in Werbefilmen und manchmal auch in einem Fernsehfilm mitgewirkt, er war also etwa in der gleichen Situation wie Esther. Auch er sah blendend aus, hatte halblanges kastanienbraunes Haar mit einem goldenen Schimmer und ein Gesicht, das man bestimmt bei einem der italienischen Maler des ausgehenden Mittelalters antreffen konnte, dessen Name mir aber im Moment nicht einfiel; er war auch ziemlich stämmig, seine gebräunten Bizeps und seine Brustmuskeln zeichneten sich deutlich unter seinem T-Shirt ab. Er persönlich war Buddhist und

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