Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
Vom Netzwerk:
Ausflug auf der Insel machen…«
    »Meinst du … außerhalb des Lagers?«
    »Ist das verboten?«
    »Nein … Nein, das glaube ich nicht. Ich muß Jerôme fragen, wie das geht…« Die Aussicht schien ihn dennoch ein wenig zu beunruhigen.
    »Aber selbstverständlich! Selbstverständlich!« rief Flic gut gelaunt. »Wir sind hier schließlich nicht im Gefängnis! Ich werde jemanden bitten, daß er euch nach Arrecife fährt; oder vielleicht zum Flughafen, das ist noch praktischer, um ein Auto zu mieten.«
    »Aber ihr kommt doch heute abend wieder?« fragte er in dem Augenblick, als wir in den Kleinbus stiegen. »Nur damit ich Bescheid weiß…«
    Ich hatte nichts Bestimmtes im Sinn, wollte Vincent nur für einen Tag in die normale Welt zurückbringen, das heißt egal wohin; das heißt, vermutlich an den Strand, wenn man bedenkt, in welcher Gegend wir uns befanden. Vincent war erstaunlich fügsam und zeigte keinerlei Initiative; beim Autoverleih hatte man uns eine Karte der Insel gegeben. »Wir können ja an den Strand von Teguise fahren …«, sagte ich, »das ist das einfachste.« Er machte sich nicht mal die Mühe, mir zu antworten.
    Er hatte eine Badehose und ein Handtuch dabei und setzte sich, ohne zu protestieren, zwischen zwei Dünen, er schien sogar bereit, wenn nötig dort den ganzen Tag zu verbringen. »Es gibt so viele andere Frauen …«, sagte ich aufs Geratewohl, um das Gespräch in Gang zu bringen, ehe mir klar wurde, daß die Sache gar nicht so einfach war. Es war keine Hochsaison, in unserem Blickfeld befanden sich etwa fünfzig Menschen: Teenies mit reizvoller Figur, die Jungens im Schlepptau hatten; und Mütter mit weniger reizvoller Figur, die von kleinen Kindern begleitet waren. Die Tatsache, daß wir uns alle in demselben geographischen Raum befanden, würde kaum mehr als eine theoretische Bedeutung haben; keiner dieser Menschen gehörte einem Feld der Realität an, mit dem uns irgendeine Form von Interaktion möglich war; sie hatten in unseren Augen keine größere Existenz, als wenn sie Bilder auf einer Kinoleinwand gewesen wären, eher noch eine geringere, würde ich sagen. Ich bekam allmählich den Eindruck, daß dieser Ausflug in die normale Welt zum Scheitern verurteilt war, als ich plötzlich merkte, daß er dazu noch auf ziemlich unangenehme Weise zu enden drohte.
    Ohne es zu wollen, hatten wir uns auf einem Teil des Strandes niedergelassen, der zu einem Thomson Holidays Club gehörte. Als ich nach einem vergeblichen Versuch, in das ziemlich kalte Wasser zu gehen, kehrtmachte, stellte ich fest, daß sich etwa hundert Leute um ein Podium drängten, auf dem eine Lautsprecheranlage installiert war. Vincent hatte sich nicht gerührt; er saß mitten in der Menge und sah dem Treiben völlig gleichgültig zu; als ich wieder bei ihm war, las ich auf einem Spruchband »Miss Bikini Contest«. Ein Dutzend kleiner Flittchen zwischen dreizehn und fünfzehn Jahren standen hüftwackelnd vor einer der Treppen, die auf das Podium führten, und japsten vor Ungeduld. Nach einem fetzigen musikalischen Gimmick sprang ein großer, wie ein Zirkusaffe gekleideter Schwarzer aufs Podium und forderte die Mädchen auf, ebenfalls auf die Bühne zu kommen. »Ladies and Gentlemen, boys and girls«, brüllte er in sein HF-Mikrophon, »welcome to the »Miss Bikini« contest! Have we got some sexy girls for you today!…« Er drehte sich dem ersten Mädchen zu, einem langbeinigen rothaarigen Teeny in einem winzigen weißen Bikini. »What's your name?« fragte er sie. »Ilona«, antwortete das Mädchen. »A beautiful name for a beautiful girl!« rief er schwungvoll. »And where are you from, Ilona?« Sie kam aus Budapest. »Budaaaa-pest! That ci-ty's hoooot!« brüllte er begeistert; das Mädchen brach in ein nervöses Lachen aus. Dann kam die nächste an die Reihe, eine platinblonde Russin, die trotz ihrer vierzehn Jahre bereits tolle Kurven hatte und wie eine geile Mieze wirkte, anschließend stellte er allen anderen zwei, drei Fragen, sprang in seinem mit Silberfäden durchwirkten Smoking auf der Bühne hin und her, warf sich in die Brust und machte mehr oder weniger obszöne Bemerkungen. Ich warf Vincent einen verzweifelten Blick zu: Er war in dieser Strandveranstaltung etwa ebenso an seinem Platz wie Samuel Beckett in einem Rap-Clip. Nachdem der Schwarze alle Mädchen vorgestellt hatte, wandte er sich vier dickbäuchigen Männern um die Sechzig zu, die an einem kleinen Tisch saßen und vor sich einen kleinen

Weitere Kostenlose Bücher