Die Midlife-Boomer
renommierten Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis bekommen hat. Dabei gehe es nicht so sehr darum, das Leben zu verlängern, sondern die Lebenszeit, in der man gesund ist. Forscher haben dafür den Begriff des health span gefunden, lose analog zu age span (Lebensspanne), übersetzt also die »Gesundheitsspanne«.
Die Forscher wissen inzwischen schon ganz gut, was es genetisch bedeutet, wenn Zellen altern. »Je älter eine Zelle wird, desto mehr Schäden weist sie im Erbgut, also der DNA, auf«, sagt Rudolph. Es kommt zu sogenannten DNA-Brüchen, wenn der Erbgutstrang in der Mitte auseinanderbricht. Bei jungen Zellen kann der Organismus das reparieren.
Bei älteren Zellen bricht die DNA an den Zellenden, was nicht mehr reparabel ist. In der Folge werden Botenstoffe aktiviert, die entweder sofort zum Zelltod führen oder aber dazu, dass sich die Zelle nicht mehr teilen kann und dann stirbt. »Im jungen Körper macht dieser Mechanismus Sinn, weil so beispielsweise Krebszellen bekämpft werden«, erklärt Rudolph. Im älteren Körper hingegen führe der Mechanismus dazu, dass Organe Schaden nehmen und Gewebe sich nicht mehr regeneriert. Könnte er ausgeschaltet werden, kann der Degenerationsprozess gestoppt werden.
Bei Mäusen ist dies den Forschern bereits gelungen. »Wir haben die Botenstoffe ausgeschaltet«, sagt Rudolph. So kann sich die Zelle weiter teilen. Organe wie Leber oder Nieren und Gewebe regenerieren sich, statt zu altern.
Rudolph ist zuversichtlich, dass aus diesen und den Erkenntnissen anderer Forscher weltweit in den nächsten Jahren eine »spezielle Altersmedizin« entsteht. Denn bislang war das hohe Alter in der Evolution nicht vorgesehen: Sobald der Mensch sich reproduziert hatte, war seine Aufgabe im biologischen Sinn erfüllt. Dass so viele Menschen 70, 80, 90 oder gar 100 Jahre alt werden, ist ein Phänomen der letzten Jahrzehnte.
Auch im Tierreich gibt es nur sehr wenige Spezies, die wirklich alt werden. Sie dienen der Forschung für weitere Erkenntnisse über die Alterung ebenso wie besonders kurzlebige Gattungen.
So findet sich in Afrika ein Fisch, der nur drei Monate lang lebt – genau die Zeit, in der die Regenzeit die Tümpel mit Wasser füllt. Auch in einem Aquarium überlebt der Fisch nicht länger. 500 Kilometer weiter nördlich allerdings existiert ein genetisch weitestgehend identischer Fisch, dessen Wasserloch sechs Monate gefüllt ist. Und siehe da: Der Fisch hat sich im evolutionären Prozess so verändert, dass er dort sechs Monate lebt. Forscher in Jena entschlüsseln gerade das Erbgut beider Fischarten, um herauszufinden, ob es bei dem älter werdenden Fisch bestimmte Gene für die Langlebigkeit gibt.
In Köln erforscht eine Gruppe von Wissenschaftlern die Frage, wie sich die Reduzierung der Kalorienzufuhr aufs Altern auswirkt. Bekommen beispielsweise Fliegen und Würmer nicht ausreichend Nahrung, leben sie länger. Ihr Stoffwechsel verlangsamt sich, ebenso wie die biologischen Funktionen beispielsweise der Zellteilung. Je seltener sich die Zellen teilen, desto weniger Erbgutschädigungen werden ausgelöst, desto langsamer die Alterung. Ob dies beim Menschen auch funktioniert, ist allerdings noch völlig ungeklärt.
Eine andere Gruppe von Forschern hat sich aufgemacht, Organe nicht zu reparieren, sondern ganz neu zu züchten. Das klingt nach Science-Fiction, ist aber bereits weiter entwickelt als gemeinhin bekannt.
So werden in einer sogenannten »Hautfabrik« des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik demnächst daumennagelgroße Hautstücke in Großserie produziert. 44 Bis zu 5000 solcher »Ersatzorgane« können pro Monat hergestellt werden, entweder mit weißem oder bräunlichem Teint.
Tissue Engineering werden derartige Verfahren genannt, um Organe im Bioreaktor regelrecht zu züchten. Bereits 1995 haben – um ein skurriles Beispiel zu nennen, das für viel Furore gesorgt hat – Forscher der Harvard University eine menschliche Ohrmuschel aus Knorpelzellen von Rindern gebaut und auf den Rücken einer Maus verpflanzt. An der Universität Yale ist es gelungen, Blutgefäße so nachzubauen, dass sie für Bypässe genutzt werden können. Und aus Japan kam vor kurzem die Nachricht, dass Wissenschaftler aus den Stammzellen von Mäusen sehfähige Augenbecher (eine Entwicklungsstufe in der Ausbildung des Auges) fabriziert haben. 45
Große Hoffnung setzt diese Forschungsrichtung zudem in 3-D-Drucker. Schon heute können damit dreidimensionale
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