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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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zuliebe tue ich doch alles.« Er lehnte sein Jagdgewehr gegen die unterste Stufe, ging um Spandrel herum zur Tür und steckte den Schlüssel ins Schloss. Zunächst ließ er sich nicht drehen, doch nachdem Wagemaker die Tür mit aller Kraft gegen den Rahmen gedrückt hatte - wodurch sich sein Gesicht beängstigend dunkelrot färbte -, gab das Schloss nach. Er drückte die Klinke herunter und stieß die Tür auf. »Zu meinem Bedauern muss ich Sie darauf hinweisen, dass Sie hier außer Mäusen und Spinnen keine Spuren von Leben vorfinden werden, aber Sie können sich gern selbst davon überzeugen.«
    Die Tür führte in einen staubigen, mit Spinnweben verhangenen Raum, der die gesamte Breite und etwa die Hälfte der Tiefe des Turms einnahm. Den Boden bedeckten große ungehobelte Bretter. Der Verputz an den Wänden wies Löcher auf, hinter denen die Ziegel zum Vorschein kamen. An beiden entfernten Ecken gab es jeweils eine offen stehende Tür, die in zwei kleinere Räume führten. Über der Feuerstelle klaffte ein Loch, durch das ein Vogelnest und Schutt heruntergefallen und über den Boden gespritzt waren.
    Spandrel trat ein. Seine Hoffnungen waren bereits geschwunden, und Enttäuschung machte sich breit. Doch dann hörte er etwas: ein Rascheln und ein Poltern, gefolgt von einem Laut, nicht ganz ein Wimmern und nicht ganz ein Stöhnen. »Ist da jemand?«, rief er. Statt einer Antwort wälzte sich aus dem Raum links vor ihm eine Gestalt auf die Türschwelle, ein Kind in Hemd und Reithosen mit gefesselten Händen und Füßen und geknebeltem Mund.
    »Herrgott!«, stöhnte Wagemaker. »Der Junge!«
    Es war allerdings ein Junge, wenn auch nicht derjenige, von dem Estelle vorhin geredet hatte. Spandrel stürzte zu ihm hinüber. Dicht hinter sich hörte er bereits Estelles Schritte.
    »Haben sie ihn verletzt?«, keuchte sie.
    »Das glaube ich nicht.« Spandrel beugte sich über das Kind, wobei er sich überwinden musste, nicht angesichts des Gestanks nach Urin zurückzuweichen. »Keine Angst, junger Sir. Wir sind hier, um Ihnen zu helfen.« Er zerrte an dem Knoten, der den Knebel sicherte. Mit vor Panik geweiteten Augen starrte der Junge unter seinem ihm ins Gesicht fallenden, nass geschwitzten Haar zu ihm hoch. Spandrel gab den Versuch, den Knebel mit der Hand zu lösen, auf, zückte sein Messer und schnitt den Stoff durch. »Sind Sie Edward Walpole?«
    »Sie haben nie gesagt, dass Ihre Schwester einen Walpole geheiratet hat!«, rief ihm Wagemaker von der Tür her zu. »Und wie merkwürdig, dass Sie Ihren eigenen Neffen nicht erkennen!«
    Estelle fuhr herum. »Wir können alles erklären, Mr. Wagemaker.«
    »Nicht nötig, Madam«, grinste dieser. »Ich weiß es bereits.« Und mit einem durch den Raum hallenden Donnern schlug er die Tür zu. Dunkelheit senkte sich über die Zurückgebliebenen, noch ehe sie hörten, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde.

39 Gemeiner Verrat
    Das einzige Licht im Erdgeschoss des Blind Man's Tower war ein matter Schimmer, der durch den schmalen Spalt unter dem Türrahmen hereinfiel, und ein noch schwächerer von oben aus dem Kamin. Spandrel tastete sich zur Tür und presste ein Auge gegen das Schlüsselloch, doch Wagemaker hatte nicht vergessen, das Familienwappen wieder davor anzubringen. Nichts war zu sehen. Und offenbar gab es auch nichts mehr, was sie jetzt noch tun konnten. Ihr Versuch, Edward Walpole zu retten, hatte damit geendet, dass sie die Gefangenschaft mit ihm teilten.
    »Habt ihr etwa nicht gewusst, dass der Kerl zur Bande gehört?«, blaffte der Junge trotz seiner Zwangslage in einem Ton, der die Arroganz seines Vaters durchscheinen ließ. »Ein Schotte ist auch dabei. Und noch irgendein anderer verkniffener Schurke.«
    »Nein, wir wussten es nicht«, sagte Estelle sanft.
    »Hat mein Vater euch geschickt?«
    »Nein.«
    »Das habe ich mir schon gedacht. Er hätte Leute ausgewählt, die wissen, was sie tun.«
    »Vielleicht«, meinte Spandrel, »aber wir haben Sie gefunden. Und ich bezweifle, dass das anderen gelingt.« »Was könnt ihr denn schon für mich tun?« »Nicht viel. Und für uns selbst anscheinend auch nicht.« »Mr. Wagemaker hat seine Rolle sehr überzeugend gespielt«, sagte Estelle.
    »Warum haben sie mir das angetan?« Die Stimme des jungen Walpole verriet auf einmal Selbstmitleid, und Spandrel ahnte bereits, dass ihm das bald lästig fallen würde, so verständlich es auch war.
    »Sie versuchen, Ihren Vater zu erpressen, aber er ist fest entschlossen, ihnen das

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