Die Mission des Zeichners
auch hier Einzelheiten an die Oberfläche. McIlwraith. Aber ja, das war doch der letzte Mieter im Blind Man's Tower, einem völlig nutzlosen Gebäude auf dem Gutshof, dessen Fenster man schließlich zugemauert und die außen verlaufende Treppe dem Verfall preisgegeben hatte. Eine Weile war er noch zum Lagern von Brennholz verwendet worden, aber niemand konnte sich so recht erinnern, wann auf Bordon Grove zuletzt Holz geschlagen worden war. Mittlerweile sah man den Turm kaum noch hinter den wild wuchernden Bäumen, und seit langem hausten nur noch Eulen darin. Was diesen McIlwraith betraf, so war er kurz nach Dorothea Wagemakers Tod verschwunden. Und das war gewiss kein Zufall.
Bei seiner Rückkehr in die Wirtsstube stellte Spandrel fest, dass Estelle, wie er sich eigentlich hätte denken können, dieselbe Information der Wirtin aus der Nase gezogen hatte. Andererseits hatte Estelle natürlich keinen Anlass gehabt, McIlwraith zu erwähnen, sodass Spandrel davon ausgehen konnte, dass sie wenigstens über diesen Teil der Geschichte noch nicht im Bilde war. Zufällig war er jedoch der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen. Der Blind Man's Tower war also eine zu-gewucherte Ruine. Niemand lebte darin; niemand ging dorthin. Aber konnte es nicht sein, dass er sich gerade deswegen ideal für McIlwraiths Pläne eignete? Wo sonst konnte man einen Gefangenen ein paar Tage lang versteckt halten? Welcher andere Unterschlupf lag in so günstiger Nähe zum Eton College?
Marabouts Karte zeigte einen sich durch das Waldgebiet nach Brackneil windenden Weg, der ungefähr auf der Hälfte seiner Länge Bordon Grove berührte. Sie fanden ihn, kamen aber wegen der vielen Pfützen und tiefen Furchen nur langsam voran. Der Grenzzaun von Bagshot Park - laut Spandrels Informanten aus der Schankstube der Sitz des Earl of Arran -wich nach und nach tiefer ins Waldesinnere zurück. Bald bekamen sie zu beiden Seiten nur noch Bäume und dicht wachsendes Gestrüpp zu sehen. Einmal entdeckten sie in einer kleinen Lichtung eine Gruppe von Holzfällern, ansonsten war der Wald ein menschenleeres Reich aus Grün, Vogelgezwitscher und durch Laub gefiltertem Sonnenlicht.
Schließlich tauchte zu ihrer Linken eine mit Moos bewachsene, von Farn überwucherte und schon recht baufällige Mauer auf. Spandrel zügelte das Pferd und sah auf der Karte nach. Nach der Zeichnung waren sie tatsächlich am Rand des Gutes Bordon Grove, sofern dieser Fleck überhaupt noch als »Gut« bezeichnet werden konnte und nicht als bloßer Bestandteil des Waldes. »Das Tor sollte ungefähr eine Viertelmeile vor uns liegen.«
»Und was gedenkst du zu tun, wenn wir es erreichen?«, fragte Estelle spitz. »Willst du am Haus vorfahren und Mr. Wagemaker höflich ersuchen, Master Edward freizulassen?«
»Nein«, seufzte Spandrel. Jetzt war es so weit. »Wir suchen nicht Wagemaker.«
»Wen dann?«
»Captain McIlwraith.«
Estelle hätte angesichts dieser scheinbar verrückten Antwort wie vom Donner gerührt sein müssen, stattdessen sah sie Spandrel gelassen ins Gesicht und fragte: »Er ist also nicht in Bern gestorben, nicht wahr?«
»Nein.«
»Ich hatte schon so ein Gefühl, als du die Wagemakers zum ersten Mal erwähnt hast. Ich weiß selbst nicht, warum.«
»Er ist fest entschlossen, die Veröffentlichung des Grünen Buches zu erzwingen.«
»Kennt er denn den Inhalt?«
»O ja. Ich habe es ihm gesagt.«
»Armer dummer William. Du hast es ihm gesagt?«
»Ja, komisch, nicht wahr? Gestern hast du noch im Brustton der Überzeugung behauptet, dass ich kein Dummkopf bin.«
»Das bist du auch nicht. Man muss nicht ein Dummkopf sein, um Dummheiten zu machen.«
»Gut. Ich bin nämlich drauf und dran, eine weitere zu begehen.«
»Was für eine?«
»Ich glaube zu wissen, wo er den Jungen versteckt hält. Und ich glaube, dass ich ihn dazu überreden kann, ihn freizulassen.«
»Wie?«
»Indem ich ihn davon überzeuge, dass Walpole seinen Forderungen unter keinen Umständen nachkommen wird. Der Captain ist kein Unmensch. Er wird dem Jungen kein Härchen krümmen wollen. Wenn wir ihn dazu bringen können...«
»Er weiß über dich und Walpole Bescheid. Er wird annehmen, dass du ihn besser kennst als ich.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob er mir auch nur ein Wort glauben wird.«
»Er muss.«
»Ja. Wenn es noch ein gutes Ende nehmen soll.«
»Das ist noch möglich.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Aber du hast wohl vergessen, dass der junge Edward von zwei Männern verschleppt
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