Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
Vom Netzwerk:
worden ist. Captain McIlwraith hat mindestens einen Komplizen, der nicht notwendigerweise das gütige Wesen besitzt, das du ihm zusprichst.«
    »Wenn wir Captain McIlwraith überzeugen, glauben uns auch alle anderen, egal, wie viele es sind. Er wird sie mitreißen.«
    »Du bist dir dessen so sicher?«
    »Ich bin mir über gar nichts sicher.«
    »Außer dass es ein lohnenswertes Risiko ist, unbewaffnet in eine Entführerhöhle zu marschieren.«
    »Du musst ja nicht mitkommen.«
    »Ohne mich hast du ja noch weniger Erfolgsaussichten als mit mir.«
    »Die Wahl liegt bei dir.«
    »Ja.« Estelle richtete den Blick auf die Welt aus grünen Schatten hinter der eingestürzten Mauer. »Und ich habe sie getroffen, als wir London verlassen haben.«
    Den Zugang zu Bordon Grove bildeten zwei mit Flechten überwachsene Steinpfosten, an denen allerdings kein Tor mehr hing. Die Straße, über die sie wachten, war ein mit Unkraut zugewucherter und verschlammter, aber noch befahrbarer Feldweg. Das Haus selbst war hinter einem Gewirr von Bäumen und Büschen nicht zu sehen. Aber dorthin wollten sie auch gar nicht. Auf der Karte befand sich der Turm nordwestlich des Hauses auf einer Anhöhe, und Spandrel hatte die Absicht, schnurstracks dorthin zu fahren.
    Auf einer Lichtung banden sie das Pferd an und ließen es grasen, während sie zu Fuß weitergingen. In den Wäldern von Bordon Grove waren die Wege kaum mehr als Wildwechsel. Bald war Estelles Kleid schlammverschmiert und von Dornen zerrissen. Doch sie jammerte nicht, sondern hielt unbeirrt mit Spandrel Schritt, der von Kompass und Karte geleitet den bewaldeten Hügel hinaufstürmte. Und sie war es, die den Turm zuerst entdeckte.
    Er sah aus wie der Wartturm einer sonderbaren Burg, die zwischen den Bäumen versunken war - ein gedrungenes, drei Stockwerke hohes Gebilde aus Schiefer und Flint mit Scharten statt Fenstern im obersten Raum und einem mit Zinnen bewehrten Rondell an der Spitze. Dass all das einer bloßen Laune des Baumeisters entsprungen war, bewies freilich die außen angebrachte Treppe, die im Zickzack nicht nur zu den Türen der einzelnen Stockwerke führte, sondern auch zu den großen Fenstern im Hochparterre. Diese waren jedoch irgendwann zugemauert worden, sodass der Blind Man's Tower seinem Namen alle Ehre machte.
    »Kein Lebenszeichen zu sehen«, flüsterte Estelle, als sie den Turm im Schutz der Bäume beobachteten.
    »Sie werden keine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen.«
    »Wie, glaubst du, werden sie reagieren, wenn sie sie trotzdem bekommen?«
    »Ich werde mich ihm langsam, aber auffällig nähern. Wenn dort jemand ist, soll er sehen, dass ich ihm nichts Böses will. Warte hier auf mich.«
    Damit setzte sich Spandrel in Bewegung. Sein Atem ging schnell, aber er bewegte sich so langsam, wie er es angekündigt hatte. Das dichte Unterholz erschwerte das Vorankommen, wich aber langsam zurück, als er einen Pfad erreichte, der zum Eingang führte, zu einer massiven Holztür am Fuß der Treppe. Ein Blick zurück bestätigte Spandrels Vermutung, dass am anderen Ende dieses Pfades, der hinter mehreren Biegungen verschwand, das Wohnhaus liegen musste. Dann richtete er sein Augenmerk auf den Boden. Frische Stiefelabdrücke im Schlamm verrieten ihm, dass der Blind Man's Tower nicht so verlassen war, wie manche Leute glaubten. Er drehte sich wieder um und näherte sich dem Eingang. Immer noch rührte sich niemand. Irgendwo in der Nähe begann ein Buntspecht gegen einen Baumstamm zu hämmern. Eine Krähe flog träge von einem Baum zum anderen und ließ sich krächzend in der Krone nieder.
    Spandrel erreichte die Tür. Einen Klopfer gab es nicht, und mit den Knöcheln zu pochen erwies sich angesichts des dicken Holzes, das alles schluckte, als aussichtslos. So hämmerte Spandrel mit beiden Fäusten dagegen und erzielte zwar ein gedämpftes Echo, doch keine Antwort. Er rüttelte an der Klinke. Wie erwartet war die Tür verschlossen. Er wich zurück und starrte nach oben zu den Schießscharten. Plötzlich geriet er vor Überraschung ins Stolpern, als er zwischen den Zinnen ein Gesicht entdeckte.
    »Wer zum Kuckuck sind Sie, Sir?«, donnerte eine herrische Stimme.
    »Ich...«
    »Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich komme runter.«
    Es war ein gedrungener Bursche mit rotem Gesicht, zerschlissenem Mantel und befleckter Weste. Auf seinem Kopf saß ein schmalkrempiger Hut, der ihm auf seinem unsicheren- Abstieg bei jedem Schritt herunterzurutschen drohte. Wirklich betrunken war er

Weitere Kostenlose Bücher