Die Mission des Zeichners
Dalrymple fort, »lautet kurz und einfach so: Wenn Ihre Verurteilung aufrechterhalten werden könnte, aber Sie... irgendwie... erneut aus dem Gefängnis entwichen...« Er hielt inne, um seine Gedanken zu sammeln und, wie es den Anschein hatte, seine Bedenken zu überwinden. »Mr. Walpole und ich haben die holländischen Behörden dazu überredet, Sie freizulassen, Spandrel. Nach außen hin werden Sie entflohen sein. Unter der Hand wird man Ihnen die Rückkehr nach England gestatten. Damit verbunden ist die Zusage, dass es keine weiteren Bemühungen geben wird, Sie erneut zu verhaften, vorausgesetzt, Sie kehren nie wieder nach Holland zurück.«
»Sie lassen mich gehen?«
»Sie haben es kapiert, Spandrel!«, rief Walpole. »Die Erleichterung muss doch fast die Angst vor dem Galgen wert sein, wenn Sie plötzlich erfahren, dass Sie doch nicht gehängt werden!«
Einen kurzen Augenblick lang war Spandrel versucht, Walpole zu erwidern, wie weit diese Erfahrung davon entfernt war, so etwas wert zu sein. Doch eines war ihm immer noch ein Rätsel, aus dem er einfach nicht schlau wurde. Natürlich brannte er darauf, diese unerwartete Gelegenheit zu ergreifen und den Klauen des Todes zu entrinnen. Gleichwohl beschlich ihn ein merkwürdiges Gefühl, weil die zwei Engländer und die beiden Holländer fast genauso begierig darauf warteten, dass er sie nutzte und davonrannte. Und einer davon war de Vries' eigener Sohn. »Was wird aus... Mrs. de Vries?«
»Die V. O.C. wird sich um sie kümmern«, sagte Dalrymple.
»Wie wird sie sich um sie kümmern ?«
»Mijn stiefmoeder«., platzte es aus Gerrit de Vries heraus, » doet wat ik zeg.«
»Mijnheer de Vries ist in der V. O.C. an die Stelle seines Vaters nachgerückt«, erklärte Dalrymple mit einem verlegenen Lächeln. »Er hat sich für seine Stiefmutter verwendet.«
»Ich verstehe nicht«, beharrte Spandrel. »Was hat die V.O.C. mit...?«
»Was Sie verstehen und was nicht, ist nicht von Belang!«, unterbrach ihn Aertsen so laut, dass seine Stimme in den Tiefen des Raumes widerhallte. »Nehmen Sie den Vorschlag an?«
»Ich...«
»Ihr wird kein Leid geschehen«, versicherte ihm Walpole mit einem beruhigenden Grinsen. »So etwas würde mein Bruder nie zulassen.«
»Nehmen Sie an?«, wiederholte Aertsen.
»Ja.« Plötzlich befiel Spandrel die Angst, die zum Greifen nahe Rettung könne widerrufen werden. »Es tut mir Leid. Ich wollte nicht... Ich bin Ihnen dankbar, meine Herren, dankbarer, als ich mit Worten ausdrücken kann. Ich nehme an... ohne jeden Vorbehalt.«
»Natürlich tun Sie das«, sagte Walpole, dessen Grinsen in seinem Gesicht zu kleben schien. »Wer würde schon ablehnen?«
»Mijn stiefmoeder«, knurrte Gerrit de Vries, »is mijn zaak.«
»Was...?«
»Genug!« Aertsen starrte Spandrel mit finsterer Miene an. »Wir haben genug geredet.« Er erhob sich abrupt, zog einen Schlüssel aus der Tasche und warf ihn auf den Tisch. »Können wir es Ihnen überlassen, das Ganze wie vereinbart zu Ende zu bringen, Dalrymple?«
»Aber gewiss, Aertsen.«
»Danke. Mijnheer?« Allem Anschein nach höchst widerwillig und mit einem finsteren Blick auf Spandrel, stand nun auch de Vries auf. »Laten we gaan.« Aertsen sah noch einmal in die Runde. »Guten Abend, die Herrschaften.«
Die zwei Männer stolzierten zu der im Schatten verborgenen Tür. Einen Augenblick später war zu hören, wie sie geöffnet und dann wieder zugeschlagen wurde. Schweigen breitete sich unter den Zurückgebliebenen aus. Walpole kratzte sich unter seiner Perücke, Dalrymple schob sein Halstuch zurecht.
»Was geschieht nun, meine Herren?«, fragte Spandrel.
»Was nun geschieht?« brummte Walpole. »Sie nehmen diesen Schlüssel da. Damit lässt sich die Hintertür dieses Raumes aufschließen. Sie führt in eine Vorratskammer, in der jemand so unvorsichtig war, das Fenster offen zu lassen. Sie klettern durch das Fenster hinaus, überqueren den Dam-Platz und gehen das Damrakufer entlang zum Hafen. Dort wird Sie in der Nähe des Zollhauses ein Fährmann erwarten. Sie werden sich ihm als William Powell zu erkennen geben.«
»Powell?«
»Das ist richtig. Der Fährmann wird Sie zu einem Segelboot rudern, das heute Nacht zum Hafen von Texel ausläuft, wo es einem nach Java bestimmten Schiff, der Tovenaer, Postsäcke überbringen wird. Der Schiffsmeister der Tovenaer hat Anweisungen, Sie in einem Ruderboot an einem geeigneten englischen Hafen auszusetzen und mit ausreichend Geld für die Heimreise
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