Die Mission des Zeichners
geschickt hatte. Sein Schwager würde es ihm je nach Laune mitteilen oder eben nicht. In letzter Zeit hatte er ihm immer weniger gesagt, was Townshend gleichermaßen schmerzte und erzürnte. Früher hatten sie einander restlos vertraut, jetzt dagegen... Aber vielleicht, überlegte er, würde seine Nachricht dafür sorgen, dass ein Teil dieses Vertrauens wieder zurückkehrte.
»Wir haben ihn, Robin.«
Walpole runzelte die Stirn. »Wen haben wir?«
»Plunket.«
»Früher oder später musste er uns ja in die Hände fallen.«
»Aber Plunket ist das schwache Glied in der Kette. Er wird uns beizeiten alle anderen nennen.«
»Glaubst du?«
»O ja. Du etwa nicht?«
»Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht.«
»Fehlt dir was, Robin?«
»Nein, nein. Bin nur ein bisschen abgespannt.« Walpole rieb sich die Stirn und bedachte Townshend mit einem zerknitterten Lächeln. »Es ist nichts, weswegen du dich zu sorgen brauchst.« Was, wie Townshend wusste, bedeutete, dass es nichts war, weswegen er sich sorgen durfte. »Was Plunket betrifft...« Walpole ließ die Schultern sinken und schürzte die Lippen. »Wir werden sehen.«
»Wachen Sie auf, Spandrel. Ich bin's, McIlwraith. Ich bin wieder da und hole Sie hier raus, bevor die Ihnen den Hals länger ziehen als einen Edinburgher Sonntag. Steigen Sie in Ihre Stiefel, Mann. Wir gehen.«
»Captain? Das können Sie nicht sein! Sie sind...« Spandrel fuhr hoch, und sofort verschwand McIlwraith aus seinem Traum. Niemand war bei ihm. Spandrel war allein in seiner Zelle - bis auf die Spinne, die ihm immer noch Gesellschaft leistete, morgens und nachts.
Er sah zu dem Flecken in der Wand hinüber, in den er jeden seit dem Todesurteil vergangenen Tag ritzte. Dazu benutzte er einen abgebrochenen Zahnstocher, den er in eine Mauerlücke geklemmt gefunden hatte und der wohl einem früheren Gefangenen gehört hatte. Bisher hatte er fünf Striche fabriziert. Heute würde ein sechster dazukommen. Er sollte die Hälfte seines Wegs vom Gericht zum Galgen markieren. Beim bloßen Gedanken daran stieg ein Brechreiz in ihm hoch. Er hielt die Luft an, um ihn niederzukämpfen. Als er sich beruhigt hatte, griff er über sich nach dem Zahnstocher.
»Es wird schön sein, Sie wieder zu sehen, Captain«, murmelte er vor sich hin, während er an der schmutzigen Wand schabte. »Und es dauert auch nicht mehr lange.«
»Mrs. Spandrel?«
»Ja.« Margaret Spandrel sah den Besucher misstrauisch an. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«
»Erkennen Sie mich nicht mehr?«
»Ich...« Sie musterte ihn eingehender. »Himmel! Das ist ja Dick Surtees! Nach all den Jahren. Sie sind jetzt also gekommen, um Ihre Lehre zu beenden, nicht wahr?«
»Eigentlich nicht.« Surtees verzog die Lippen zu einem verlegenen Lächeln.
»Nun, ganz gewiss nicht - so wie Sie sich in Schale geworfen haben.«
»Das mit... Mr. Spandrel hat mir sehr Leid getan.«
»Ach, es hat Ihnen Leid getan?«
»Billy hat es mir... erst vor kurzem gesagt.«
»Sie haben William gesehen?« Eine Mischung aus Hoffnung und Sorge flackerte über ihr Gesicht. »Wann?«
»Ach, vor einem Monat oder so.«
»Oh.« Mrs. Spandrel ließ die Schultern hängen. Der Schatten der Enttäuschung fiel wieder über ihr Gesicht. »Ich dachte... hm, er hat mir nie etwas davon erzählt.«
»Ist er da?«
»Wer?«
»Na, Billy natürlich.«
»Nein.« Mrs. Spandrel stieß einen tiefen Seufzer aus. »Er ist ins Ausland gegangen. Strebt wohl nach Höherem.«
»Ins Ausland? Wohin?«
»Er hat es mir nicht gesagt. Die Wahrheit ist...« Sie wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Auge. »Ich habe keine Ahnung, wo er ist oder was er macht.«
»Oh.« Auch Surtees zog eine enttäuschte Miene. »Ich verstehe.«
»Was wollten Sie von ihm?«
»Ach, eigentlich nichts. Es ist nicht so wichtig.«
»O doch! Immerhin sind Sie eigens zu ihm gekommen.«
»Nein. Es ist wirklich nicht wichtig. Es kann nicht...« Einen Moment lang stand er da und starrte sie unverwandt an. Unvermittelt rief er: »Ich muss gehen!«, und stürmte zur Tür hinaus.
Das Geld, das Spandrel bei seiner Verhaftung bei sich gehabt hatte, gehörte nach wie vor ihm, zumindest theoretisch. Für eine wirklich bescheidene Vergütung hatte der Große Janus eingewilligt, es für einen guten Zweck anzulegen und Spandrel täglich mit einer Flasche Jenever zu versorgen, die ihm half, den bitteren Geschmack der Angst zu ertränken, und die ihm noch verbliebenen Tage in einen schmerzlosen Nebel hüllte. An der
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