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Die Mission des Zeichners

Die Mission des Zeichners

Titel: Die Mission des Zeichners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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Absatz herum, hob den Arm und zielte - einen Moment schneller und geübter als McIlwraith. Der Schotte hatte seinen Arm noch nicht ganz durchgestreckt, als Wagemaker schoss. Das Donnern der Pistole durchbrach die Stille, die nach Cloistermans Verstummen eingetreten war. Sein Nachhall wurde jäh vom Krächzen eines Krähenschwarms übertönt, der aus nebelverhangenen Bäumen am Rande der Wiese aufflatterte. Einen Augenblick lang wusste Spandrel nicht, was geschehen war. Einen zweiten Schuss gab es nicht. Die zwei Männer standen bewegungslos da, umrahmten die Konturen der Stadt, deren Domturm einem erhobenen Finger gleich den Punkt zu markieren schien, von dem aus sie ihre Schritte abgemessen hatten.
    Auf einmal stieß McIlwraith ein Stöhnen aus und stolperte einen Schritt zur Seite. Sein Arm sank herunter. Seine freie Hand fuhr zur Brust hoch. Es sah so aus, als würde er gleich stürzen. Langsam ließ Wagemaker seine Pistole sinken. »Er hat ihn umgebracht«, murmelte Cloisterman und trat einen Schritt vor, »wie er es geschworen hat.«
    Doch McIlwraith stürzte nicht. Mit einem Schrei, der mehr von einem Tier als von einem Menschen an sich hatte, stemmte er sich noch einmal hoch, und Spandrel sah, wie seine Brust unter der Anstrengung bebte. Er war getroffen worden, vielleicht tödlich, aber etwas, das stärker war als Bleikugeln, hielt ihn auf den Beinen. Er taumelte einen Schritt zu dem Punkt zurück, an dem er ins Straucheln geraten war, und sein keuchender Atem stieg in Dampfwolken in die Luft. Dann hob er erneut seine Pistole.
    »Er will schießen.« Cloisterman war wie angewurzelt stehen geblieben.
    »Sie sind ein toter Mann!«, rief Wagemaker seinem Gegner zu. »Sie können ja nicht mal gerade stehen, geschweige denn zielen!« Er warf seine Pistole zu Boden. »Das ist...«
    Es gab eine zweite Explosion. Wagemakers Kopf wurde abrupt in einem Regen von Blut und Knochensplittern nach hinten gerissen. Er schwankte, dann kippte er nach hinten und schlug mit einem dumpfen Knall auf der gefrorenen Erde auf. Danach gab es keine Bewegung mehr. Still und leblos blieb er liegen wie eine Marionette, deren Fäden abgeschnitten worden sind.
    »Allmächtiger«, ächzte Cloisterman. »Gütiger Gott im Himmel.«
    McIlwraiths Pistole fiel zu Boden. Langsam, als wolle er beten, sank er auf die Knie. Spandrel stürzte auf ihn zu. Im Laufen sah er, wie der Captain seitlich umkippte und sein ganzer Körper von einem rasselnden Husten geschüttelt wurde. Dann blieb er regungslos liegen.
    »Captain?« Spandrel beugte sich über ihn und berührte ihn am Ellbogen. An McIlwraiths Mantel klebte Blut. Langsam sickerte es zwischen seinen Fingern hindurch, die er an die Wunde gedrückt hatte, und färbte das vom Raureif weiße Gras rot. »Hören Sie mich?«
    »Ich... höre Sie«, antwortete McIlwraith durch aufeinander gebissene Zähne. »Wagemaker?«
    Spandrel warf einen Blick auf Cloisterman, der zu dem Colonel geeilt war und sich jetzt über ihn gebeugt hatte. Als er die Frage hörte, sah er über die Schulter. »Mausetot, Captain, das kann ich Ihnen versichern.«
    »Aber einen Vorteil... hat er mir gegenüber.« McIlwraith schien zu lächeln. »Er ist wenigstens... gleich gestorben.«
    »Sie werden nicht sterben«, sagte Spandrel.
    »Ich wünschte, Sie hätten Recht. Aber wie immer liegen Sie weit daneben. Anders als... Wagemaker.«
    »Ich hole einen Arzt«, erklärte Cloisterman. »So schnell ich kann. Bleiben Sie bei ihm, Spandrel, und reden Sie ständig mit ihm. Das hilft vielleicht.«
    Die zwei Männer nickten einander zu, dann rannte Cloisterman mit wehenden Frackschößen davon. Sein Ziel waren die Häuser bei der Brücke, über die sie gekommen waren. Es war dieselbe Brücke, von der aus Estelle de Vries angeblich das Grüne Buch in den Fluss geworfen hatte. Seit sie diese Behauptung vor nicht mehr als dreißig Stunden aufgestellt hatte, hatte Zuyler, Jupe und Wagemaker der Tod ereilt, gewalttätig, plötzlich und jeweils in einem Augenblick, in dem sie am wenigsten damit gerechnet hatten. Und jetzt sah es so aus, als würde McIlwraith ihnen folgen.
    »Ist er weg?«, fragte McIlwraith mühsam mit heiserer, gepresster Stimme.
    »Ja. Sorgen Sie sich nicht. Er wird...«
    »Lassen Sie das Faseln und hören Sie mir zu, Spandrel. Ich habe nicht viel Zeit. Ich sterbe, Mann.«
    »Nein, bestimmt nicht.«
    »Verflucht noch mal, widersprechen Sie mir nicht. Ich habe in meiner Zeit.. den Tod oft genug gesehen und weiß, wie das ist.

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