Die Mission des Zeichners
Hören Sie mir gut zu.«
»Ich höre, Captain.«
»Gut. Das... ist wichtig. Sie müssen hier weg. Sofort.«
»Das kann ich nicht.«
»Sie müssen. Nehmen Sie meinen Lederbeutel. Er ist in meiner Manteltasche. Darin habe ich Geld. Guineen. Louis d'Or, und Zechinen. Die werden Sie für Rom brauchen.«
»Rom?«
»Sie müssen weiterreiten... ohne mich.«
»Ich kann Sie doch nicht einfach so zurücklassen.«
»Sie haben... keine Wahl. Ich bin schon mal hier gewesen. Nicht in Bern, aber in der Schweiz. Ich kenne die Sitten hier. Das ist ein calvinistischer Kanton. Die kennen bei katholischen ... Unsitten keine Gnade, und als solche betrachten sie Duelle. Sobald der Vogt erfährt, was geschehen ist... werden Sie und Cloisterman verhaftet. Wollen Sie etwa wieder... ins Gefängnis ? Am Ende vielleicht noch in ein holländisches ? Ein Haftbefehl gegen Sie als Mordverdächtigen könnte leicht... einen Weg von Amsterdam bis hierher finden, wenn Sie im Kerker sitzen. Wollen... Sie das etwa?«
»Natürlich nicht.«
»Dann gehen Sie, solange Sie noch können.«
»Ich verlasse Sie nicht, bevor der Arzt nicht da ist.«
»Es wird nichts mehr für ihn zu tun geben.« McIlwraiths Gesicht war von Schmerzen verzerrt. »Ein Leichenbestatter... wäre eher von Nutzen.«
»Sagen Sie das nicht.«
»Ich sehe nur... den Tatsachen ins Auge, Mann. Und Sie sollten... dasselbe tun. Sie dürfen bei Cloistermans Rückkehr nicht mehr hier sein. Er ist auf der Seite der Regierung und hat die Vollmacht, Sie... im Tausch gegen seine eigene Straffreiheit den Behörden zu übergeben. Ich will nicht, dass er... das Geld des Untersuchungsausschusses verprasst.«
»Das würde er nicht tun.«
»Meinen Sie? Sie sind zu vertrauensselig, Spandrel. Das ist Ihre... große Schwäche. Glauben Sie mir... ein Mal wenigstens.«
»Das tue ich.«
»Schön. Dann...« McIlwraith wälzte sich herum und packte Spandrel mit verblüffend festem Griff am Arm. »Um Gottes willen, gehen Sie.«
Eine weitere halbe Stunde verging, ehe Cloisterman in Begleitung eines Arztes und zweier mit Decken und einer Tragbahre ausgestatteter Diener auf der Wiese eintraf. Der Doktor war nicht gerade erbaut davon, dass man ihn vom Frühstückstisch weggeholt hatte. McIlwraith war inzwischen bewusstlos, aber er atmete noch. Von Spandrel fehlte jede Spur. Er hatte den Captain in dessen Mantel gehüllt und den von Wagemaker darüber ausgebreitet, um ihn so warm wie möglich zu halten. Und dann...
»Wohin bist du gegangen, Spandrel?«, murmelte Cloisterman, den Blick misstrauisch in die Ferne gerichtet. »Was für ein Spiel spielst du?«
Die Stimme des Arztes riss ihn aus seinen Gedanken. »Dieser Mann ringt mit dem Tod, mein Herr. Wir müssen ihn in mein Haus bringen.«
»Gut.«
»Hat es... ein Duell gegeben?«
»Ja.«
»Aber es ist Sonntag. Der Tag des Herrn. Sie haben kein....« Der Arzt schaute ihn aufgebracht an. »Verachtenswert!«
Dafür reichten Cloistermans Deutschkenntnisse nicht mehr aus. »Was?«
»Wir müssen los. Wir werden ihn nicht retten können. Aber wir müssen es versuchen.«
Die drei Schweizer luden McIlwraith auf die Trage, gurteten ihn fest und entfernten sich zügig von der Wiese. Cloisterman machte keine Anstalten, ihnen zu folgen.
Der Arzt drehte sich zu ihm um. »Kommen Sie mit uns, mein Herr! Man wird Fragen an Sie haben.«
»Selbstverständlich.« Cloisterman eilte ihnen nach. Als er sie eingeholt hatte, ging er langsamer. Fragen. O ja, es würde eine Fülle von Fragen und nicht genügend Antworten geben. Er blieb stehen und warf einen letzten Blick auf Wagemakers Leiche. Das Gesicht unter der zertrümmerten Stirn war schneeweiß, das geronnene Blut klebte schwarz am gefrorenen Gras. Die stetigen Atemzüge des Colonels im Schlaf gestern Nacht fielen ihm wieder ein. Solche Zuversicht, solche Kraft - und beides in einem Augenblick ausgelöscht.
»Mein Herr!« Die Stimme des Arztes drang durch die kalte, klarer werdende Luft zu ihm. »Wir werden schon jemanden nach dem anderen schicken. Einen Leichenbestatter. Kommen Sie.«
»Ich bin gleich bei Ihnen.«
Was sollte er tun? Spandrel war geflohen, soviel stand fest. Und wer konnte es ihm verdenken? Er, Cloisterman, bestimmt nicht. Am liebsten würde er dasselbe tun. Wagemaker hatte von ihm verlangt, seinen Sekundanten abzugeben. Aber Wagemaker war tot. Dalrymple hatte nie etwas davon gesagt, dass er im Falle von Wagemakers Tod dessen Mission allein zu Ende führen solle. Streng genommen hatte
Weitere Kostenlose Bücher