Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)
Mal.
An einem Abend im September hatte Wilhelm zwei Kollegen eingeladen, mit denen er an den großen Werken in Pölitz arbeitete. Helene sollte von den Umbauten und Planungen nichts wissen, nur beiläufig hatte sie das eine und andere aufgeschnappt, sie hütete sich, Wilhelm Fragen zu stellen. Mit diesen beiden Kollegen plante er wahrscheinlich die neue Gestaltung des Geländes. Arbeiter mussten untergebracht werden, ganze Kolonnen sollten in dem Lager auf dem Gelände Platz haben. Das Hydrierwerk benötigte einen Bauplan, der über die chemische Aufbereitungsanlage hinaus eine sinnvolle Verkehrs- und Versorgungslogistik verlangte. Wilhelm stellte den beiden Kollegen Helene als seine Frau vor. Sie hatte auf sein Geheiß hin einen Aal grün zubereitet und bediente jetzt die drei Männer, die um den Tisch saßen.
Bier, rief Wilhelm und hielt seine leere Flasche hoch, ohne sich nach Helene umzudrehen. Beinahe stieß er mit der Flasche gegen Helenes Bauch. Helene nahm ihm die Flasche ab. Die Herren?
Einer der beiden hatte noch, der andere nickte, nur zu, Bier könne nicht genug fließen.
Mensch, Wilhelm, kochen kann deine Frau.
Aal grün, das war die Spezialität meiner Mutter, schwärmte der andere.
Zu irgendwas ist jede gut, Wilhelm lachte und nahm einen ordentlichen Schluck aus seiner Flasche. Sein Blick streifte flüchtig Helenes Schürze. Da wächst ja was, lachte er und griff übermütig mit einer Hand an ihre Brust. Helene wich zurück. Hatten es seine Kollegen gesehen und gehört? Helene drehte sich um, niemand musste sehen, dass sie rot wurde.
Wann ist es denn so weit? Der junge Kollege blickte auf seinen Teller, als befrage er den Aal.
Alice, wann ist es so weit? Wilhelm war bester Laune, vergnügt blickte er sich nach Helene um, die die letzten dampfenden Kartoffeln in eine Schüssel füllte und sie auf den Tisch stellte.
In sechs Wochen, Helene wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und nahm den Löffel, um den Männern die Kartoffeln auf die Teller zu laden.
In sechs Wochen schon? Es war nicht klar, ob Wilhelm wirklich überrascht war oder nur so tat. Kinder, wie die Zeit vergeht.
Und da bewirbst du dich nach Berlin? Der ältere Kollege war erstaunt. Helene wusste nichts von einer Bewerbung Wilhelms nach Berlin.
In den jetzigen Zeiten wird man doch überall gebraucht, Königsberg, Berlin, Frankfurt, Wilhelm prostete seinen Kollegen zu. Pölitz ist bald durch, da muss man schon sehen, was als nächstes zu tun ist.
Richtig, sagte der jüngere Kollege und trank.
Helene gab zuletzt Wilhelm Kartoffeln auf den Teller. Sie dampften noch, vielleicht war es zu kalt in der Küche. Sie musste Kohlen nachlegen. Seit Helene das Kind erwartete, fror sie nicht mehr und merkte erst spät, wenn die Wohnung ausgekühlt war.
Lass man, Alice, das schaffen wir hier schon allein. Du kannst dich jetzt zurückziehen. Wilhelm rieb sich die Hände über dem dampfenden Teller.
Es stimmte, die Männer hatten ihr Essen und Wilhelm wuss te, wo das Bier stand, er konnte selbst aufstehen und für Nachschub sorgen. Als Helene aus der Küche ging, hörte sie ihn zu den Kollegen sagen: Kennt ihr Renate-Rosalinde mit dem Drahtverhau?
Die Kollegen grölten schon, ehe Wilhelm fortfahren konnte.
Fragt sie den Urlauber: Was sagst du zu meinem neuen Kleid? Fabelhaft, der Gefreite, man kann es geradezu mit einem Drahtverhau vergleichen.
Die Männer lachten tosend. Helene stellte im Schlafzimmer nebenan das Bügelbrett auf.
Drahtverhau, fragt die Schöne, wieso denn? Na, der Gefreite schmunzelt und lässt die Augen rollen, schützt die Front, ohne sie den Blicken zu entziehen.
Lachen. Helene hörte die Flaschen klirren und wie auf den Tisch geklopft wurde. Einer der Kollegen, vermutlich der ältere, sagte: Verdient ist verdient.
Wilhelms Lachen übertrumpfte das seiner Kollegen.
Helene nahm das Hemd, das Wilhelm am nächsten Tag anziehen würde, aus dem Korb und bügelte es. Wilhelm hatte ihr vor einigen Wochen zum Geburtstag ein elektrisches Bügeleisen geschenkt. Das Bügeleisen war seltsam leicht, Helene glitt damit so schnell über den Stoff hinweg, dass sie sich ermahnen musste, langsamer zu bügeln. Nebenan wurde laut gelacht, immer wieder hörte Helene, wie die Flaschen aneinanderklirrten. Das Kind in Helenes Leib strampelte, es stieß gegen ihre rechte Rippe, die Leber schmerzte, und Helene nahm eine Hand, um zu spüren, wie hart sich die Beule ihres Bauches anfühlte. Vermutlich war es der Steiß, den es nur noch
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