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Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Titel: Die Mittagsfrau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Franck
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nachschenken.
    Wilhelm antwortete nicht, das vergaß er häufig, sie schenkte ihm Kaffee ein.
    Weißt du, was ich denke ...?
    Hör zu, Alice. Du erwartest ein Kind, das ist richtig so. Wenn ich gestern gesagt habe, ich freue mich, dann freue ich mich, hörst du? Ich freue mich, dass du bald etwas Gesellschaft hast.
    Aber?
    Fall mir nicht ins Wort, Alice. Wirklich, das ist eine Unart von dir. Wir gehören nicht zusammen, das weißt du auch. Wilhelm nahm einen Schluck Kaffee, stellte seine Tasse ab und nahm sich eine zweite Scheibe Brot aus dem Korb.
    Er meinte gewiss ihre Verbindung, die Ehe, sie als Frau und ihn als Mann. Etwas an dieser Nachkommenschaft störte ihn wohl. Nahm Helene an, dass er sich freute, so freute er sich offenbar nur für sie, für die Aussicht, dass sie Gesellschaft hätte und ihn nicht länger belästigte. Aber er freute sich nicht für sich selbst über ein Kind. Da war weder Freude noch Stolz in seinem Gesicht. Mochte er die Verbindung mit ihrer unreinen Rasse nicht? Helene wusste, dass er aufbrausen würde, wenn sie ihn darauf anspräche. Er wollte darüber nicht sprechen, vor allem nicht mit ihr.
    Schau mich nicht so an, Alice. Du weißt, was ich meine. Du glaubst, du hast mich in der Hand? Aber du täuschst dich. Ich könnte dich hochgehen lassen. Ich lasse dich nicht hochgehen, weil du ein Kind erwartest.
    Helene spürte, wie sich ihr Hals zusammenzog, sie wusste, dass sie nichts sagen sollte, aber sie musste. Weil ich ein Kind erwarte? Ich erwarte ein Kind von dir, es ist unser Kind.
    Reg dich nicht so auf, hörst du, brüllte Wilhelm jetzt und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Tassen auf ihren Untertassen klirrten.
    Du hast das Kind gezeugt, Wilhelm.
    Das behauptest du. Wilhelm schob Teller und Tassen beiseite, er sah sie nicht an, in seiner Stimme lag mehr Empörung und Rechtfertigung als Betroffenheit. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Spott trat in sein Gesicht. Wer sagt mir, dass du nicht noch mit anderen schläfst, du, du ...? Wilhelm stand jetzt auf, ihm wollte das Wort nicht einfallen, mit dem er sie passend beschimpfen konnte. Hündin, fiel es ihm wirklich nicht ein? Seine Lippen waren fest und man konnte die Zähne sehen, die in geraden Reihen übereinander standen. Es machte ihn böse, einfach nur böse. Ich sage dir etwas, Alice: Es ist mein Recht, hörst du, mein gutes Recht, dir beizugehen. Du hast das auch genossen, gibs zu. Niemand hat dir gesagt, dass du dabei schwanger werden sollst.
    Nein, sagte Helene leise, sie schüttelte den Kopf, das hat mir niemand gesagt.
    Na also. Wilhelm faltete seine Hände auf dem Rücken, er ging auf und ab. Du solltest dir so langsam Gedanken machen, wovon du deine Brut ernähren möchtest. Ich bin nicht bereit, allein für dich und dein Kind aufzukommen.
    Helene hörte das gar nicht ungern, wie oft hatte sie in den vergangenen Monaten um seine Erlaubnis gebeten, wie gerne wollte sie wieder in einem Krankenhaus arbeiten. Ihr fehlten die Kranken, die Gewissheit, dass das, was sie tat, einem Menschen half, dass sie nützlich war. Aber Helene fand jetzt keine Ruhe, darauf einzugehen. Sie musste etwas anderes sagen, er würde ihr an den Hals gehen, aber sie musste es ihm sagen. Helene blickte zu ihm auf. Ich weiß, warum du mich nicht hochgehen lässt. Weil du die Papiere gefälscht hast, weil du mich gar nicht hochgehen lassen kannst, ohne selbst dabei aufzufliegen.
    Wilhelm sprang auf sie zu, sie hielt sich noch schützend die Hände über den Kopf, er packte ihre Arme, hielt sie an den Armen fest und zwang sie, vom Stuhl aufzustehen. Der Stuhl krachte unter ihr zu Boden. Wilhelm schob sie durch die Küche bis an die Wand. Er presste sie an die Wand, ließ sie mit einer Hand los, nur um mit der flachen Hand ihren Kopf gegen die Wand zu drücken, dass es weh tat. Niemals, hörst du, niemals sagst du das noch einmal. Schlange, du. Ich habe nichts gefälscht, gar nichts. Ich habe dich als Alice kennengelernt. Wo du die Papiere her hast, geht mich nichts an. Niemand wird dir glauben, damit das klar ist. Ich werde sagen, dass du mich angelogen hast, Helene Würsich.
    Sehmisch, ich heiße Sehmisch, ich bin deine Frau. Helene konnte ihren Kopf nicht bewegen, sie drehte sich und wendete sich unter Wilhelms starken Pranken.
    Er legte ihr seine Hand auf den Mund, seine Augen blitzten: Halt den Mund. Er wartete, sie konnte nichts sagen, weil er ihr die Hand auf den Mund presste. Du schweigst, damit das klar ist. Ich sage das kein zweites

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