Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)
Krankenhaus gegangen. Sie ertrug diese Schwester und ihren Marschton nicht. Los, los, noch einmal, und ein, halten, halten. Hören Sie nicht? Sie sollen halten, nicht pressen! Jetzt wurde sie auch noch wütend, die Offizierin. Helene kümmerte sich nicht um die Befehle, sie konnte gebären, wie sie wollte, die Offizierin hatte ihr gar nichts zu sagen. Atmen, tief atmen, das war bestimmt gut, und pressen, natürlich, pressen, pressen, pressen. Die Hebamme tastete mit ihren Händen an ihrer Vagina, sie tastete und es kratzte, als wühle sie ihre Nägel in das weiche Fleisch, das aufgeweichte, völlig unbestimmte, in jede Richtung dehnbare Fleisch. Was machte die Offizierin dort nur mit ihren Händen? Es drückte auf den Darm, es drückte so sehr, dass Helene sicher war, die Hebamme könne nichts als Exkremente auffangen, Blut und Fäkalien in die Hände der Offizierin. Keine Zeit für Scham, sie musste atmen.
Jetzt schlug ihr die Offizierin auf den Arm, packte sie. Aufhören, Sie sollen aufhören zu pressen, sonst reißen Sie noch ganz auf.
Helene hörte es und hörte doch nicht hin, sollte sie nur reißen, ihretwegen, ganz auf, ihretwegen, mochte reißen, was reißen musste, sollte reißen, was reißen wollte, es würde schon etwas übrig bleiben, das Kind schon herauskommen. Helene atmete, guter Schmerz, nur warum tat er so weh? Nein, das hätte sie sagen wollen, sie spürte die Zunge an ihrem Gaumen, nnn, sie würde es nicht sagen, nie, niemand sollte sich wundern, niemals.
Atmen Sie! Die Offizierin verlor offenbar die Nerven. Schreien Sie einfach, los, jetzt pressen, ja.
Das Ja war knapp, die Hände der Offizierin schnell, der Arzt rückte etwas zwischen Helenes Schenkeln zurecht, es knirschte. Der Arzt nickte. Da war der Kopf.
Der Kopf? Ist der Kopf draußen? Helene konnte es nicht fassen. Sie spürte etwas Dickes zwischen ihren Beinen, etwas, das nicht zu ihr gehörte, nicht mehr, sie spürte es zum ersten Mal, nicht mehr nur in ihr, der Körper ihres Kindes, an ihr. Der Arzt beachtete sie nicht. Helene tastete mit ihrer Hand nach unten. Sie wollte es anfassen, das Köpfchen. Waren das Haare, die Haare des Kindes?
Hände weg! Helenes Arm wurde fortgerissen, man packte sie am Handgelenk, fest am Handgelenk. Sie sollen atmen, hören Sie? Die Offizierin mischte sich ein. Und bei der nächsten Wehe pressen Sie. Tief Luft holen, holen Sie Luft, jetzt. Helene hätte auch ohne den Befehl der Offizierin Luft holen müssen.
Es glitt hinaus, mit einem Schwung. Die Hebamme fing es geschickt mit ihren Händen auf.
Das Kind war da. Wie sah es aus? War es grau, lebte es? Es wurde sofort weggebracht. Röchelte es nur, hatte es geschrien? Es schrie. Helene hörte ihr Kind schreien und wollte es an sich drücken. Helene wand sich, sie wollte einen Blick erhaschen. Die weißen und braunen Schürzen der Schwestern versperrten ihr die Sicht, lauter Rücken. Es wurde gewaschen, gewogen und angezogen.
Mein Kind, flüsterte Helene. Tränen rannen aus ihren Augen, sie sah die Kittel der Schwestern und der Hebamme. Meine Kleine. Helene war glücklich. Die Hebamme kam zurück und befahl, sie möge noch einmal pressen.
Noch einmal?
Ich denke, Sie sind Krankenschwester.
Aber warum noch einmal, ist da noch eins?
Die Plazenta, Frau Sehmisch. Und jetzt pressen Sie noch einmal richtig. Frau Sehmisch, Helene wusste, sie war gemeint. Helene tat wie ihr befohlen.
Sie musste eine Ewigkeit warten, ehe man ihr das Kind brachte. Dreitausendeinhundertundfünfzig, ein Prachtkerl. Die Säuglingsschwester reichte Helene das kleine Paket. Helene sah sich ihr Kind an, seine Augen waren faltige Schlitze, der Mund noch ganz klein, über der Nase hatte es eine Furche, eine tiefe Furche, und auf der Nase saßen lauter kleine Grießpünktchen. Es weinte. Helene drückte das Kind an sich. Meine Kleine, meine süße Kleine, sagte Helene. Was für schöne lange schwarze Haare sie hatte, wie seidig und wie glatt ihre Haare waren.
Sie müssen das Köpfchen so halten. Die Säuglingsschwester drückte Helenes Hand zurecht. Helene wusste, wie man ein Kind halten sollte, es machte ihr wenig aus, dass die Schwester sie berichtigte, gar nichts. Sollte sie nur ihre Hand kneten und drücken. Nichts und niemand konnte Helenes Glück etwas anhaben.
Wollen Sie ihn stillen?
Helene schaute erstaunt der Schwester ins Gesicht. Ihn?
Ja, Ihren Sohn, ob Sie Ihren Sohn stillen wollen, frage ich.
Es ist ein Sohn? Helene blickte in das kleine graue Gesicht. Ihr Kind
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