Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)
ab.
Das sind ja schöne Aussichten. Wilhelm zog sich ein Unterhemd über, er neigte sich mit der Stirn dem Spiegel zu und betastete seine Haut.
Zink könnte helfen. Helene war unsicher, ob er ihren Ratschlag hören wollte. Sie musste an das andere denken, das, weshalb sie mit ihm sprechen wollte. Allein, wenn sie sich im Stillen den ersten Satz vorsagte, als Mitteilung, als Nachricht, als einfache Abfolge von Worten, spürte sie, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Die Pickel dagegen machten ihr tatsächlich nichts aus, sie hatten sie noch nie gestört. Ekel, das war etwas anderes. Als sie damals die Maden in der Wunde ihres Vaters gesehen hatte, war sie erstaunt. Wie sie sich im Fleisch krümmten und wanden. Vielleicht bildete sie sich die Erinnerung ein, ihr Gedächtnis war gut, nur keineswegs untrüglich. Aber Ekel? Helene dachte an das Erstaunen, das sie angesichts der Wunde ihres Vaters empfunden hatte. Die Versehrung eines Körpers. Die Juden als Gewürm, der Parasit bin ich, Helene dachte es nur, sie sagte es nicht. Körper und Volkskörper hielten keinem Vergleich stand. Vielleicht konnte sie Wilhelms Leid lindern.
Würdest du den Eiter ausdrücken? Wilhelm lächelte sie an, unsicher und vertraulich, wen konnte er sonst um diesen Gefallen bitten?
Natürlich, wenn du das möchtest. Helene zog die Augenbrauen hoch, sie reinigte die Pfanne. Aber das hilft nicht viel, die Haut wird verletzt, neue Pickel entstehen.
Wilhelm zog sich das Unterhemd wieder aus, stellte sich dicht vor sie und zeigte ihr seinen Rücken.
Helene hängte die Pfanne an ihren Haken, nahm ihre Schürze ab und wusch sich die Hände. Sie machte sich an die Arbeit.
Wilhelms Haut war dick, er hatte eine großporige, feste und sehr helle Haut.
Wilhelm zog die Luft zwischen den Zähnen ein, er musste Helene bitten, etwas vorsichtiger zu sein. Das reicht, sagte er plötzlich und drehte sich zu ihr um.
Helene sah zu, wie Wilhelm sich ein Kleidungsstück nach dem anderen anzog und schließlich seine Schuhe holte, mit genauem Blick prüfte er, ob sie gut geputzt waren, und zog sie an. Offenbar wollte er noch rausgehen. Es war schon spät.
Wir bekommen ein Kind.
Helene hatte sich fest vorgenommen, es Wilhelm an diesem Abend zu sagen. Etwas war schiefgegangen, ganz sicher hatte sie sich nicht verrechnet. Helene konnte sich erinnern. Es musste in der Nacht passiert sein, in der Wilhelm spät nach Hause gekommen war und sie aus dem Schlaf geholt hatte. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag gefährlich war, sie hatte versucht, ihn von sich abzubringen, aber es war ihr nicht gelungen. Später hatte sie sich stundenlang gewaschen und eine Spülung mit Essig gemacht, aber offenbar hatte es nichts genutzt. Als ihre Periode ausblieb, hatte sie an einem Wochenende, als Wilhelm beruflich nach Berlin fuhr und sie unter keinen Umständen mitnehmen wollte, eine Flasche Rotwein gekauft und diese bis zum letzten Tropfen leer getrunken. Sie hatte ihre Stricknadeln genommen und gestochert. Irgendwann blutete sie und schlief ein. Aber es kam keine Periode mehr. Schon seit Wochen wusste sie es, sie hatte nach Auswegen gesucht. In Stettin kannte sie niemanden, aus Berlin kam seit Monaten kein Brief. Einmal wollte Helene bei Leontine anrufen. Es hatte niemand abgenommen. Als sie bei der Vermittlung Fannys Nummer verlangte, sagte ihr die Vermittlerin, dass diese Nummer nicht mehr vergeben sei. Vermutlich hatte Fanny ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Es gab keinen Ausweg mehr, nur noch Gewissheit. Wilhelm schaute von seinen Schuhen auf.
Wir?
Helene nickte. Sie hatte damit gerechnet, zuerst gefürchtet, zuletzt vielleicht gehofft, dass Wilhelm sich auf die Brust klopfen würde, sie hatte geglaubt, er erwarte nichts sehnlicher als diesen Umstand.
Wilhelm stand auf, er nahm Helene bei den Schultern. Bist du dir sicher? Sein Mundwinkel zuckte, da war doch ein Stolz, da war der erste Anflug von Freude, ein Lächeln.
Ganz sicher.
Wilhelm strich Helene die Haare aus der Stirn. Er blickte dabei auf seine Armbanduhr. Womöglich war er verabredet und wartete jemand auf ihn. Das freut mich, sagte er. Aufrichtig. Wirklich sehr.
Wirklich sehr? Helene blickte zweifelnd zu Wilhelm hinauf, sie suchte seinen Blick. Wenn er vor ihr stand, musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen zu sehen, und auch dann war es nur möglich, wenn er bemerkte, dass sie ihn ansah und er zu ihr hinunterblickte. Er blickte nicht zu ihr hinunter.
Was soll die Frage? Passt dir
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