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Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Die Mittagsfrau: Roman (German Edition)

Titel: Die Mittagsfrau: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Franck
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nicht mehr da. Als der Junge aufblickte und sein abschätziger Blick ausgerechnet auf Peter fiel, fragte er ihn, warum er sich denn so rausgeputzt habe. Peter sah an sich hinunter, auf sein Feiertagshemd, erst jetzt erinnerte er sich, dass er zeitig nach Hause kommen sollte. Wir verschwinden, das hatte seine Mutter zuletzt gesagt.
    Schon im Treppenhaus hörte Peter ihre Töpfe klappern. In der letzten Woche hatte seine Mutter Nachtschicht gehabt. Seit Tagen machte sie die Wohnung sauber, als wäre die je schmutzig gewesen, sie bohnerte Böden, wischte Stühle und Schränke ab und putzte Fenster. Die Wohnungstür war nur angelehnt, Peter öffnete sie. Er sah drei Männer um den Küchentisch, darauf seine Mutter, sie saß halb, halb lag sie. Der nackte Po eines Mannes bewegte sich auf Peters Augenhöhe vor und zurück, dabei wackelte das Fleisch so heftig, dass Peter lachen wollte. Doch die Soldaten hielten seine Mutter fest. Ihr Rock war zerrissen, ihre Augen weit geöffnet, Peter wusste nicht, ob sie ihn sah oder durch ihn hindurch blickte. Aufgesperrt war ihr Mund – aber sie blieb stumm. Einer der Soldaten bemerkte Peter, er hielt sich den Hosenbund zu und wollte Peter aus der Tür schieben. Peter rief nach seiner Mutter, Mutter, rief er, Mutter. Der Soldat trat ihm kräftig gegen die Beine, so dass Peter vor der Tür zusammenknickte, ein Fuß traf ihn in den Po, dann wurde die Tür zugedrückt.
    Peter saß auf der Treppe und wartete, er hörte Frau Kozinska singen. Es saß ein klein wild Vögelein auf einem grünen Ästchen. Es sang die ganze Winternacht, sein Stimm tät laut erklingen. Doch es war Sommer, und Peter hatte Durst, und die Züge würden gleich fahren, er wollte mit seiner Mutter verschwinden. Peter presste die Lippen aufeinander. Sein Blick fiel auf die Tür mit der Öffnung, wo sich einst das Schloss befunden hatte. Auf dem Boden lagen noch Späne. Peter zog mit den Zähnen dünne Haut von den Lippen. Schon einmal zuvor hatte seine Mutter Besuch von Soldaten gehabt, das war nur wenige Tage her, sie mussten die Tür aufgetreten und dabei das Schloss herausgebrochen haben. Sie waren den ganzen Tag geblieben, sie hatten getrunken und gejohlt. Peter hatte immer wieder gegen die Tür gehämmert. Jemand musste innen etwas gegen die Tür gestellt haben, vielleicht hatte ein Stuhl unter der Klinke gestanden. Peter hatte durch die Öffnung gespäht, die das herausgebrochene Schloss hinterlassen hatte, der Rauch hatte so dicht gestanden, dass Peter nichts hatte erkennen können. Also hatte sich Peter auf die Treppe gesetzt und gewartet wie jetzt. Die Zähne konnte man nicht schleifen. Peter kaute vorsichtig auf einem Fetzen abgenagter Haut. Während er sich auf die Lippen biss, rieben beide Zeigefinger an den Daumen. Obwohl ihm seine Mutter die Nägel so kurz wie möglich schnitt, gelang es ihm immer wieder, mit dem Zeigefinger Haut vom Daumen zu lösen, dort, wo der Nagel in seinem Bett lag.
    Als beim letzten Mal endlich die Tür aufgegangen war, waren die Soldaten einer nach dem anderen ins Treppenhaus gestolpert, die Stufen hinabgestiegen und hatten gegen Frau Kozinskas Tür geklopft. Der letzte hatte sich umgedreht und Peter auf deutsch etwas hinaufgerufen: Einen wie dich habe ich auch zu Hause. Pass bloß auf deine Mutter auf, dabei hatte der Soldat lachend den Zeigefinger gehoben. Als Peter in die verrauchte Küche getreten war, hatte er gesehen, wie sich seine Mutter in einer Ecke der Küche bückte, sie strich ein Laken glatt. Du bist jetzt ein großer Junge, hatte sie gesagt, ohne Peter anzusehen, du kannst nicht mehr in meinem Bett schlafen.
    Sie hatte ihn nicht angesehen, nicht wie heute, nie zuvor hatte er einen solchen Ausdruck in den Augen seiner Mutter gesehen wie eben, eisig.
    Das Warten vor der Tür fiel Peter schwer, er stellte sich hin, er setzte sich auf die Treppe und stand wieder auf. Durch den Spalt, den das herausgebrochene Schloss hinterlassen hatte, wollte Peter etwas erkennen. Auf der letzten Stufe stellte er sich auf Zehenspitzen und beugte sich vor. So konnte er leicht das Gleichgewicht verlieren. Peter wurde ungeduldig, ihm knurrte der Magen. Immer, wenn Peters Mutter Nachtschicht hatte, kam sie morgens nach Hause, weckte ihn zur Schule und mittags wartete sie mit einem Essen. Sie kochte eine Suppe aus Wasser, Salz und Fischköpfen. Nahm sie später die Fischköpfe heraus, streute sie etwas Sauerampfer in die Suppe. Sie sagte, die sei gesund und nahrhaft, nur selten hatte sie

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