Die Mitternachtsprinzessin
bleiben. Wie hatte er nur jemals etwas anderes denken können?
Voller Schmerz senkte er den Kopf, aber es war nicht mehr seine Bauchnarbe, die wehtat, sondern der Schmerz saß etwas höher und mehr rechts, dort, wo sein Herz war.
Während Sophia sich mit dem geistlichen Ratgeber ihrer Familie unterhielt und Gabriel die kalte Schulter zeigte, schickte Blake einige schnelle Boote los, mit einer Nachricht an die größten Kriegsschiffe, damit diese nach Kavros zurückkehrten.
Anschließend stellte Blake eine Eskorte aus seinen Marinesoldaten zusammen, die Ihre Hoheit zu der Villa auf dem Hügel bringen sollte, die einst das Zuhause der königlichen Familie war. Sophias eigene Leibgarde war in verschiedenen Missionen unterwegs.
Pater Nektarios stieg mit in die Kutsche ein, um ihr ein wenig moralische Unterstützung zu geben, wenn sie das verlassene, leere Haus betrat. Gabriel erinnerte Blake daran, auf die Rückkehr ihrer griechischen Leibgarde zu achten. Vor allem Timo und Niko mussten bald eintreffen. Möglicherweise hatten sie Informationen über den Aufenthalt von Scheich Suleiman und seinen Gefolgsleuten. Falls diese im benachbarten Albanien ansässig waren, bestand die Gefahr, dass Sophia ihre tapferen Wächter vielleicht nie mehr lebend wiedersah. Der Schrecklichte Türke tat Spionen, die in seinem Land gefasst wurden, grauenvolle Dinge an.
Möge Gott sie schützen, dachte Gabriel.
Schließlich verließen sie die Marinebasis, um zum Palast hinaufzufahren, und überall, wo sie vorbeikamen, blieben die Leute stehen und zeigten staunend auf sie. Die Nachricht von ihrer Ankunft breitete sich wie ein Lauffeuer aus.
Endlich erreichten sie den jahrelang unbewohnten Palast. Gabriel litt mit Sophia, als er beobachtete, wie sie sich in den verlassenen Räumen mit den gebogenen Durchgängen, den zerbrochenen Fenstern und nackten Marmorböden umsah. Am liebsten wäre er zu ihr gegangen und hätte sie in die Arme geschlossen. Vermutlich empfand aber auch jeder Marinesoldat, der sie begleitete, dasselbe. Gabriel bedachte jeden Einzelnen von ihnen mit einem finsteren Blick. Verdammt, das alles war sinnlos. Wie sollte sie ihm jemals gehören?
Als Sophia auf den einst prachtvollen, nun leeren Thronsaal zuging, hörte Gabriel von draußen Lärm, der ständig lauter wurde.
Pater Nektarios folgte ihr, als sie langsam die Flügeltüren öffnete. Sie hielt inne. Zögernd trat Sophia nach draußen, auf den reich verzierten Balkon, der auf einen Platz führte. Gabriel konnte nicht viel erkennen, denn er blieb in der Tür stehen. Ein paar Schritte hinter ihr, im besten Fall, das war sein Rang.
„Ich glaube, von hier aus hat König Konstantin zu seinem Volk gesprochen“, flüsterte Blake.
Als sie sich zum Geländer mit der Goldverzierung vorwagte, sah Gabriel, wie sie zögerte und an sich hinunterblickte, besorgt darüber, dass ihr cremefarbenes Reisekleid viel zu gewöhnlich aussehen könnte. Nichts schmückte sie, weder königliche Gewänder noch Edelsteine. Jetzt beobachtete er, wie ihr schönes Gesicht härter wurde, als schien sie sich daran zu erinnern, dass es nicht das Äußere war, was eine Königin ausmachte.
Nein, es war etwas in den Augen, etwas in der Art, wie sie sich bewegte. Und Sophia hatte es. Bei Gott, sie hatte es.
Er hielt den Atem an, als sie Luft holte, die Hände auf das staubige Geländer stützte und den Blick entschlossen über die Menge gleiten ließ. Nichts an ihr verriet von der Angst, die sie vermutlich empfand.
Er fühlte, wie ihm die Tränen in die Augen stiegen, Tränen der Liebe. Er blinzelte sie weg, ehe jemand sie entdecken konnte. Schließlich war er nur der Leibwächter. Aber als er sie so aus dieser Entfernung betrachtete, hätte er jedoch keine Vermutung darüber anstellen können, was sie jetzt sagen würde - und er bezweifelte, dass sie es selbst wusste.
Nur eines war klar: Der schicksalhafte Augenblick war gekommen, und jetzt lauschte er genauso gespannt wie die Menge, die zusammengekommen war, um sie zu sehen, ihre erste Ansprache zu hören.
„Volk von Kavros!“, rief sie lauter, als wohl sogar sie selbst es erwartet hatte. „Ich bin Sophia, die Tochter Konstantins!“
Die Leute verstummten bei diesen Worten und warteten auf das, was Ihre Hoheit ihnen mitzuteilen hatte.
„Vor vielen Jahren wurden wir voneinander getrennt. Ihr habt gelitten - ich weiß von dem Schmerz, der euch zugefügt worden ist. Ich habe als Kind aus der Ferne mit euch gefühlt. Ihr wisst, welche
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