Die Mitternachtsprinzessin
um die Mittagszeit mit ihrer Arbeit fertig geworden.
Gabriel hätte Sophia gern eine Menge Fragen gestellt. Er drehte sich zu ihr um, wollte an ihr beobachten, wie sie auf den ersten Anblick ihrer Heimat nach all den Jahren reagierte.
Aber als er ihr Gesicht sah, hatte er all seine Fragen augenblicklich vergessen.
Ihre Miene war ernst, ihr Blick in die Feme gerichtet. Sie schien nicht glücklich zu sein, nicht einmal sentimental. Vermutlich sollte ihn das nicht überraschen. Dennoch war er besorgt. „Geht es dir gut?“, fragte er.
Sie sah ihn nur an.
Seit ihrem Streit am Strand von Perpignan hatte sie nicht viel mit ihm gesprochen. Sie verhielt sich nicht feindselig, nur kühl, distanziert und zurückgezogen. Beinahe wäre es ihm lieber, wenn sie wütend wäre. Mit ihrem Zorn konnte er umgehen. Diese Zurückhaltung aber ... Sie schloss ihn aus, und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.
Wieder blickte sie nach vom.
Er fühlte sich zurückgewiesen, warf einen Blick auf sie und gab jeden Versuch auf, ein Gespräch anzufangen.
Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Aufgaben, die darin bestand, sie sicher an Land zu bringen.
Ihr erstes Ziel war die Marinebasis, und als sie diese erreichten, stellte Gabriel fest, dass sie genauso war wie jene in Indien, in Afrika, in der Karibik und überall sonst, wo Britannien die Wellen beherrschte.
Der Union Jack flatterte im Wind, direkt über den Kanonen. Gabriel zählte nicht so viele Marineschiffe im Hafen, wie er erwartet hatte, sie mussten wohl unterwegs sein.
Die pure Kraft und Präsenz, die die großen Schiffe mit ihren Kanonendecks demonstrierten, waren ein wichtiger Faktor, um im Mittelmeer Ordnung zu halten. Sie sorgten dafür, dass den vorbeifahrenden Handelsschiffen die Piraten nicht zu nahe kamen, sie hinderten Rivalen daran, sich zur Hintertür hereinzuschleichen, und bewirkten ganz allgemein ein entspannteres Klima. Gabriel stützte die Arme auf der Reling ab und wartete, bis ein Marineboot kam, um sie zu empfangen.
Niemand konnte sich der Basis nähern, wenn er nicht zuvor mit den Männern gesprochen hatte, die für den Hafen verantwortlich waren. Und wenn ihnen die Antworten nicht gefielen, die sie bekamen, wurde man höflich zum Weiterfahren aufgefordert.
Als das kleine Marineschiff neben dem Fischerboot anlegte, nannte Gabriel den Offizieren seinen Namen, jedoch nicht den von Sophia, und bat darum, gemeinsam mit seiner Gemahlin an Bord kommen zu dürfen.
Sie zuckte ein wenig bei diesen Worten, das bemerkte er aus den Augenwinkeln. Aber er brachte es nicht über sich, sie anzusehen.
"Commander Blake erwartet uns seit einiger Zeit“, erklärte er. „Wir sind seine Cousins aus Nottinghamshire.“
"Nottinghamshire?“, rief der junge Lieutenant aus und strahlte bei der Erwähnung dieses vertrauten Namens über das ganze Gesicht. „Willkommen, Sir. “ Sie begriffen, dass er Engländer war, und ließen ihn und seine Frau an Bord.
Gabriel bedankte sich bei dem Fischer, der neugierig und misstrauisch zugleich zusah, wie Sophia die Leiter zum Marineboot hinaufstieg. Einige Marinesoldaten halfen ihr, und als sie in Sicherheit war, folgte Gabriel nach.
Als er selbst an Bord des britischen Schiffs war, zeigte er die Papiere des Außenministeriums vor, in denen der Besatzung erklärt wurde, wer sie wirklich war.
Die Seeleute machten große Augen, und augenblicklich begannen die üblichen Verbeugungen und Respektbezeugungen. Die Rückkehr zu diesem königlichen Status schien Sophia Schmerzen zu bereiten, aber sie nahm die Ehrungen mit der ihr üblichen Grazie entgegen.
Seiner Meinung nach hatte sie allen Grund, beunruhigt zu sein. Auf eine so unspektakuläre Weise sollte keine königliche Prinzessin zurückkehren, um ihren Platz auf dem Thron einzunehmen. Es hätte viel Pomp geben sollen und Zeremonien mit Musik, Blumen, Reden und einer ganzen Armee von Bediensteten sowie eine Schiffsladung voller Güter, die ihr Volk so lange vermisst hatte.
Stattdessen kam sie angesichts ihrer Feinde heimlich an, mit nichts als den Kleidern auf ihrem Körper und einem Leibwächter, der tollkühn war, sich hier zu zeigen, brachte er diese Schönheit doch ihrem Volk zurück, nachdem er ihr die Tugend geraubt hatte.
Während des ganzen Weges bis zur Basis gaben sie sich als gewöhnliche Besucher aus. Sergeants ließen dort gerade ihre Truppen exerzieren. Als Gabriel die gebrüllten Befehle hörte, verspürte er einen Anflug von Sehnsucht nach seinem
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