Die Mitternachtsprinzessin
ihrem losen Haarknoten entwischt war und ihr jetzt ins Gesicht hing.
Am liebsten hätte er sie sanft zurückgeschoben, doch natürlich durfte er sie nicht berühren. Er war kein Prinz.
Vielleicht fühlte sie seinen Blick, denn sie sah zu ihm hinüber, und ein strahlendes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie ihn erkannte.
Rasch winkte sie ihn zu sich und versuchte, den kleinen Hund dabei nicht zu wecken. „Major - guten Tag! Entschuldigung, ich meinte natürlich Colonel“, verbesserte sie sich, als Gabriel bei ihr war und sich verbeugte.
„Hoheit.“ Er freute sich, sie zu sehen, und schaute ihr etwas länger in die Augen als unbedingt nötig, ehe er sich plötzlich an den Grund seines Besuches erinnerte. „Hoheit, als Vorbereitung auf den Ball sollten wir einen Gang durch den Palast machen. Wäre dies ein sehr unpassender Zeitpunkt?“
„Ganz und gar nicht.“
„Sollen wir?“ Er reichte ihr seine Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
Die Blonde räusperte sich leise, aber Sophia hielt es auch diesmal nicht für angebracht, sie einander vorzustellen. Sie überging den Hinweis, streichelte kurz den kleinen Hund und reichte ihn dann der Freundin, die sie überrascht ansah. Die Prinzessin nahm Gabriels Hand und erhob sich von ihrem Sitz.
„Was hast du heute gemacht?“, fragte sie mit einem heiteren Seitenblick, als sie gemeinsam hinausgingen.
„Tausend Dinge. Äh - Sophia“, sagte er leise, als sie seinen Arm nahm. „Bist du sicher, dass das klug von dir ist?“
„Begleitest du mich nicht gern?“
„Die Leute werden reden“, murmelte er.
„Kopf ab!“, sagte sie leichthin.
Er sah sie amüsiert an, und sie lachte.
Aber dann überraschte sie ihn, indem sie gehorsam seinen Arm losließ und ihm einen bedeutungsvollen Blick zuwarf. „Wie du willst“, flüsterte sie.
Dieses Maß an Kooperationsbereitschaft verblüffte ihn. Gabriel runzelte die Stirn. Aber Sophia verschränkte nur die Hände hinter dem Rücken und ging neben ihm her, ein Ausbund an Anstand und Zurückhaltung, das ihr, wie er wusste, nicht entsprach.
Sie gab sich alle Mühe.
In der vergangenen Nacht hatte sie wach gelegen und sich hin und her geworfen, während sie versuchte, sich an dieses Arrangement mit Gabriel zu gewöhnen. Sie sollte glücklich sein.
Sie war glücklich.
Mit jeder Faser ihres Herzens war sie froh darüber, dass er bereit war, sich für ihre Sache zu engagieren, und sie war gerührt von seiner Selbstlosigkeit. Er hatte ihr ihre Lügen verziehen und akzeptiert, dass sie notwendig gewesen waren. Sophia bezweifelte nicht, dass er für ihre Sicherheit sorgen würde.
Gleichzeitig war der Umstand, dass dieser gut aussehende, charismatische Mann ihr so nahe und dennoch so unerreichbar für sie war, eine Art süße Qual für sie. Sie hatte ihn bei sich haben wollen, hatte sich nach seiner Stärke gesehnt, nun, da Leon fort war, doch sie hatte nicht vorausgesehen, wie sehr seine Nähe sie schmerzen würde. Wie sehr ihr dadurch bewusst werden würde, dass sie mit all ihrer Macht und ihrem Geld sich nicht das eine erkaufen konnte, nach dem sie sich am meisten sehnte.
Wahre Liebe.
Gabriels sanfter Blick und sein hinreißendes Lächeln machten ihr nur umso deutlicher bewusst, was ihre Pflicht sie kostete, erinnerten sie nur noch mehr an die weiblichen Sehnsüchte, die nicht erfüllt werden konnten. Was sollte sie tun? Er hatte gesagt, gefühlsmäßige Verwicklungen würden ihm seine Arbeit nur schwerer machen. Er stellte sich für sie in die Schusslinie, zumindest schuldete sie allein aus diesem Grund ihrem neuen ersten Leibwächter ihre volle Mitarbeit.
Und daher blieben sie nur Freunde.
Sie war daran gewöhnt, ihren Willen durchzusetzen, aber in diesem Fall durfte es nicht sein.
Freundschaft musste genügen, und auch dafür war sie dankbar. Ungeachtet der Tatsache, dass jedes Mal, wenn sie den Mann nur ansah, sie ihn am liebsten auf das nächste Möbelstück werfen und ihn verführen wollte. Nicht um alles in der Welt würde sie seine Aufgabe noch komplizierter machen wollen, als sie es ohnehin schon war.
Außerdem waren diese Gefühle auch für sie selbst gefährlich. Sich zu verlieben, wenn es denn das war, was sie empfand, war für jede weibliche Regentin gefährlich. So war auch Kleopatra in Schwierigkeiten geraten, als sie ihr Herz an einen gut aussehenden Soldaten verlor.
Wenn sie nicht aufpasste, konnte es damit enden, dass sie sogar alles verlor, nicht nur ihr Herz. Schließlich war
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