Die Mitternachtsprinzessin
Kopfschmerzen ein. Denk nach, befahl sie sich.
Wenn sie sich die Rücksichtslosigkeit in Erinnerung rief, die von dem Tunesier und seinen Kameraden ausging, ihre toten und seelenlosen Augen, dann war davon auszugehen, dass jeder dieser Männer einige Tage der Qual überstehen konnte. Ihr blieb also noch ein wenig Zeit.
Jetzt war sie ihnen noch nützlich. Sie wagte es nicht, sie zu ärgern oder einen dummen Fehler zu begehen. Diese Wendung der Dinge war nicht ihre Schuld, und sie würden das verstehen, solange sie dem Tunesier sofort schrieb, so wie er es ihr gesagt hatte, für den Fall, dass es Schwierigkeiten gab.
Sie wusste, wie sie Kontakt zu ihm auf nehmen konnte. Ihre besten Überlebenschancen bestanden darin, ihn zu warnen, sodass die Pläne noch geändert werden konnten. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, dass einer seiner Männer hier im Kerker saß. Sie musste ihm sagen, dass sie es sich nicht leisten konnten, noch eine Woche zu warten. Der Plan für Sophias Entführung musste beschleunigt werden.
All das geschah viel zu schnell. Wenn sie nun die Nerven verlor? Aber das durfte sie nicht, nicht wenn sie den Kopf weiterhin auf ihren Schultern tragen wollte. Welche Abneigung sie auch immer gegenüber Sophia empfand, sie hätte diesen Verrat niemals begangen, wenn ihr eigenes Leben nicht in Gefahr wäre.
Zumindest wusste sie, dass sie keine Probleme haben würde, ihre griechischen Liebhaber zu überlisten, denn die würden sie niemals verdächtigen. Aber was sollte sie mit Colonel Knight machen? Irgendwie musste sie ihn loswerden.
Aber Halt! dachte sie, während sie noch einen Schluck von dem belebenden Getränk nahm. Das würde leichter sein, als sie angenommen hatte. Schließlich war der blauäugige Kavallerist Sophias Schwäche.
Sie musste nicht einmal etwas Gefährliches unternehmen, um sich seiner Person zu entledigen. Sie musste ihn nicht erschießen, nicht vergiften oder sonst etwas Abscheuliches tun. Sie musste ihn nur in Misskredit bringen. Ja.
Sie musste dafür sorgen, dass er entlassen wurde.
Und das war nicht schwer. Über die Jahre waren mehrere attraktive Männer aus Sophias Gefolge entlassen worden - alle wegen Alexa. Sophia hatte die Männer immer entlassen, niemals Alexa. Sie war sehr fürsorglich.
Außerdem konnte die Prinzessin sie nicht einfach wegschicken. Sie waren aneinander gebunden. Dies war ihr Fluch, den ihre Familien ihnen hinterlassen hatten. Die Höflinge dienten, und die königliche Familie beschützte. So war es immer gewesen, über viele Generationen hinweg.
Aber Alexa hatte es satt, weiter zu dienen. Bald, sagte sie sich und fand ihren Mut wieder, würde sie frei sein.
Sie würde ihren Verstand gebrauchen und auf die richtige Gelegenheit warten. Sie würde dem Tunesier eine Nachricht zukommen lassen. Dann konnte er ihr sagen, was sie als Nächstes tun sollte.
14. Kapitel
Vielleicht waren die Leibwächter unschuldig.
Anderthalb Tage nach dem Ball waren sämtliche Gäste wieder abgereist, aber im Schloss war man immer noch mit Aufräumen beschäftigt. Gabriel war auch den größten Teil der vergangenen Nacht wach gewesen, hatte darauf gewartet, dass einer der Griechen etwas unternahm, doch nichts war geschehen.
Die Männer waren eher noch beschützender gegenüber Sophia aufgetreten. Sie waren noch leidenschaftlicher in ihrem Zorn gegenüber den Angreifern als zuvor - oder taten zumindest so -, dass sie nicht einmal bemerkten, wie sie ständig von den britischen Garnisonssoldaten beobachtet wurden, und vor allem von Gabriel.
Sie waren ganz auf den Gefangenen konzentriert, sehnten sich danach, ihn in die Finger zu bekommen. Gabriel war nie ein großer Lügner gewesen und wusste nicht, wie lange er diese Scharade noch aufrechthalten konnte.
Endlich unterbrach er seine Pflichten für eine längst überfällige Pause und stand in einem der wenig genutzten Morgenzimmer, von denen aus man über die herbstliche Landschaft blicken konnte. Nieselregen sprühte gegen die großen Fenster, und an einem lehnte er nun und sah zu, wie Sophia zu Pferde ihre Fähigkeiten an verschiedenen Waffen übte.
Auf dem Ball hatte er sie irrtümlich für Aphrodite gehalten, aber an diesem Nachmittag war sie ganz in Schwarz, mit streng geflochtenem Haar. Sie war vollkommen auf ihre Übungen konzentriert und sah jetzt wirklich aus wie Artemis, die jungfräuliche Jägerin.
Er folgte ihr mit seinen Blicken, als sie auf der braunen Stute vorbeigaloppierte, von der er einst geglaubt hatte,
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