Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
Schlossgarten, während er sich innerlich auf den Wutanfall vorbereitete, der nun zwangsläufig folgen würde. Dabei bemerkte er die kleine Menschenansammlung auf der Terrasse unter ihm. Erst auf den zweiten Blick entdeckte er Noelle unter all den Leuten, und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
Sie zu sehen, und sei es auch nur aus der Entfernung, weckte sofort wieder die altbekannte Sehnsucht in ihm. So sehr er sich auch dagegen zu wehren versuchte, die Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, war nach wie vor ungebrochen.
“… du mir überhaupt zu?” Wütend funkelte Matilda ihn an. “Was gibt es denn da draußen so Fesselndes?” Nach einem Blick aus dem Fenster lachte sie. “Ach, jetzt verstehe ich. Du willst die kleine Rosenblad noch einmal sehen, ehe sie endgültig verschwindet, hab ich recht?”
Henrik fuhr herum. “Was willst du damit sagen?”
“Was ich damit sagen will? Dass die dumme Gans ihren Job los ist, natürlich. Das will ich damit sagen! Oder dachtest du etwa, ich lasse mir eine solche Frechheit von einer einfachen Angestellten bieten? Sich einfach an meinen zukünftigen Ehemann heranzumachen, das ist ja wohl die Höhe!” Sie schüttelte den Kopf. “Nein, nein, mein Lieber, ich sag dir was: Ich bin euch schon länger auf die Schliche gekommen, als du denkst. Was glaubst du, weshalb ich darauf bestanden habe, dass sie die Torte hereinbringt. Ich …”
“Sag, dass das nicht wahr ist!”, fiel Hendrik ihr ins Wort. Einen Moment sah er sie einfach nur an. Fassungsloses Entsetzen erfüllte ihn, als er erkannte, wie abgrundtief gemein und hinterhältig Matilda wirklich war. “Sag, dass du Noelle nicht bei ihrem Vorgesetzten angeschwärzt hast!” Als sie nicht antwortete, schloss er kurz die Augen. “Warum?”, fragte er, als er sie wieder öffnete. “Wie konntest du das tun? Ist dir denn gar nicht klar, was du da angerichtet hast? Du bist zu weit gegangen!”
“Ach, und was ist mit dir?”, fauchte sie. “Immerhin hast du dich mit einer anderen Frau herumgetrieben, obwohl du mir versprochen hast, mich zu heiraten! Also tu jetzt bloß nicht so edelmütig! Hätte ich die Sache mit der Schwangerschaft nicht erfunden, wärst du doch nie auf den Gedanken gekommen, mich zu heiraten. Ich …” Als ihr klar wurde, was ihr da soeben im Eifer des Gefechts herausgerutscht war, verstummte sie.
Henrik brauchte einen Moment, um zu begreifen. Ungläubig sah er die Frau an, mit der er sich vor ein paar Stunden verlobt hatte. “Nein, das kann nicht wahr sein!”, brachte er heiser hervor. “Du hast nur erfunden, dass du ein Kind von Kristian erwartest? Aber warum? Das ergibt doch …” Er hielt inne. “Natürlich! So konntest du mich am besten an dich binden, habe ich recht? Irgendwann nach der Verlobung hättest du mir dann gesagt, dass du eine Fehlgeburt erlitten hast … Ich kann nicht glauben, dass du zu so etwas fähig bist!”
Matilda schwieg, doch Henrik hatte auch schon genug gehört. Wütend nahm er sein Jackett und zog es hastig an.
“Was hast du vor?”, fragte Matilda misstrauisch. “Du gehst zu ihr, nicht wahr?” Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. “Wage es nicht, jetzt zu ihr zu gehen, oder ich werde dafür sorgen, dass du es für den Rest deines Lebens bereust!”
Aber Henrik achtete nicht auf sie. Erst als er die Tür erreichte, drehte er sich noch einmal zu ihr um. “Ich bereue jetzt schon – und zwar, dich kennengelernt zu haben.
Adjö
, Matilda. Lebewohl!”
Sie tobte, als er das Zimmer verließ. Doch ihre Wut und ihre Drohungen ließen ihn seltsam kalt. Sollte sie doch zu ihrem Vater gehen, er konnte sie nicht davon abhalten. Sein Entschluss stand fest – endgültig.
In Windeseile durchquerte Henrik das prachtvolle Treppenhaus von Kronborg Slott, ohne auch nur einen Blick an die kunstvollen Stuckverzierungen und Skulpturen zu verschwenden. Er konnte nur an Noelle denken. Seltsam, aber plötzlich war es ihm vollkommen gleichgültig, dass sie ihn angelogen hatte. Sicher gab es dafür gute Gründe, und er war schließlich auch nicht ehrlich zu ihr gewesen.
Jetzt wollte er nur noch eins: Bei ihr sein und sie in die Arme schließen. Hoffentlich war es noch nicht zu spät!
Durch die breite Flügeltür, die zur Terrasse hinausführte, stürzte er ins Freie. “Noelle!”, rief er und lief zu der Stelle, wo er sie vorhin von seinem Fenster aus gesehen hatte. Doch es war niemand mehr da.
Noelle war fort.
11. KAPITEL
“U m Himmels willen,
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