Die Mitternachtsrose: Mittsommerhochzeit (German Edition)
nicht!”
Der Blick des Manns verfinsterte sich. “Gehen Sie bitte”, bat er. “Henrik und Sie haben meiner Tochter bereits genug Schmerz bereitet!”
Noelle war hin und her gerissen. Einerseits wollte sie keine Schwierigkeiten machen, auf der anderen Seite war ihr das scheinheilige Verhalten dieser Frau derart zuwider, dass sie einfach nicht stillhalten konnte.
“Schmerz?” Sie schüttelte den Kopf. “Ihre Tochter weiß doch gar nicht, was das bedeutet – ebenso wenig wie sie die Bedeutung der Worte Mitgefühl und Anstand kennt.” Mit zornig funkelnden Augen wandte sie sich an Matilda. “Ich weiß, dass Sie von Anfang an nur auf Henriks Titel aus waren, also hören Sie gefälligst auf, die Leidende zu spielen! Sie haben die Schuldgefühle ausgenutzt, die Henrik nach dem Unfall seines Cousins quälten, und ihn damit regelrecht erpresst. Und als wäre das noch nicht verwerflich genug, haben Sie ihm auch noch vorgespielt, schwanger zu sein! Schämen Sie sich denn überhaupt nicht?”
Matildas Vater runzelte die Stirn. “Was sagen Sie da?” Er sah erst Noelle und dann seine Tochter an. “Matilda, ist das wahr?”
Die schüttelte hastig den Kopf. “Glaub dieser Frau kein Wort, Papa! Die lügt doch schon, wenn sie nur den Mund aufmacht!”
“Fahren Sie zur nächsten Nachtapotheke und lassen Sie Ihre Tochter einen Schwangerschaftstest machen, wenn Sie mir nicht glauben”, entgegnete Noelle eisig. “Ich jedenfalls zweifle keine Sekunde daran, dass Henrik mir die Wahrheit gesagt hat.”
Der alte Gunvaldsson drehte seine Tochter zu sich um und packte sie an der Schulter. “Lüg mich jetzt nicht an, Kind!”, forderte er. “Stimmt es, was diese Frau sagt? Hast du deine Schwangerschaft nur vorgetäuscht, damit Henrik dich heiratet?”
Matilda zögerte, doch dann brach ihre Selbstbeherrschung in sich zusammen und sie fing an, bitterlich zu schluchzen. Doch so herzzerreißend ihre Vorstellung auch sein mochte, Noelle konnte beim besten Willen kein Mitleid mit ihr empfinden. Vielleicht lag es daran, dass sie der berechnenden Lady ihre Verzweiflung einfach nicht abkaufte.
“Damit bist du wirklich zu weit gegangen.” Gunvaldsson schüttelte fassungslos den Kopf. “Was hast du dir dabei bloß gedacht? Bei Gott, ich wollte doch auch, dass du diesen Titel bekommst – aber doch nicht um jeden Preis!” Er wandte sich an Noelle. “Richten Sie Henrik bitte aus, dass er seinen Kredit bekommen wird – und zwar zu fairen Konditionen. Das bin ich ihm schuldig.”
Noelle fühlte sich wie benommen. Bedeutete das etwa die Rettung für das Schlosshotel von Henriks Familie? Aber um ihm das mitzuteilen, musste sie ihn zunächst einmal finden!
Müde fuhr Henrik sich mit der Hand über die Augen. Es fiel ihm schwer, sich auf die Straße vor ihm zu konzentrieren. Seine Erschöpfung war nicht körperlicher, sondern seelischer Natur. Seit er vor etwas mehr als einer Stunde von Noelles Wohnung in Gamla Stan aufgebrochen war, fuhr er ziellos durch die Gegend und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
Zwecklos. Noch vor ein paar Wochen war er fest entschlossen gewesen, für immer allein zu bleiben. Aber jetzt …
Er konnte nur an Noelle denken.
Seine Wut war mittlerweile verraucht. Doch die Enttäuschung, die zurückblieb, ließ sich kaum leichter ertragen. Warum hatte sie ihm nichts von ihrem Verlobten erzählt? Er war doch auch vollkommen ehrlich zu ihr gewesen und hatte ihr sogar sein größtes und dunkelstes Geheimnis anvertraut, das außer dem engsten Familienkreis niemand kannte.
Und sie? Er verstand es einfach nicht! War es wirklich möglich, dass er sich so sehr in ihr getäuscht hatte?
Hör auf, darüber nachzugrübeln, und schlag sie dir aus dem Kopf! Du wirst jetzt nach Hause fahren und versuchen zu retten, was noch zu retten ist. Das sollte dich mehr als genug beschäftigt halten.
Seufzend fuhr er sich durchs Haar. Es war sinnlos, Noelle nachzutrauern. Sie würde in ein paar Monaten diesen anderen Mann heiraten und dann vermutlich keinen Gedanken mehr an ihn verschwenden. Er sollte wirklich versuchen, sie zu vergessen. Allerdings zweifelte er daran, dass ihm das jemals gelingen würde.
Zu tief hatte sich seine Liebe zu ihr bereits in sein Herz eingegraben.
Die Umrisse von Kronborg Slott ragten im letzten Schimmer der Dämmerung empor. Vor dem eindrucksvollen Panorama des Mälarsees hob es sich wuchtig gegen den leuchtend roten Abendhimmel ab. Alles an diesem Anblick erinnerte ihn an Noelle. Es wurde
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