Die Mitternachtsrose
Vermutlich war sie gezeugt worden, als ihre Mutter für Alkohol und Drogen anschaffen ging.
Rebecca wurde nachdenklich. Wer konnte schon sagen, ob ihr Vater am Ende nicht tatsächlich mit Violet Drumner verwandt gewesen war. Die Möglichkeit bestand durchaus. Da sein Name jedoch nicht auf ihrer Geburtsurkunde vermerkt war, würde sie keine Nachforschungen anstellen können.
Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in England sehnte Rebecca sich nach Jacks tröstender Umarmung. Sie ging mit ihrem Handy, in dem seine Nummer gespeichert war, hinunter in Anthonys Arbeitszimmer, um Jack von dessen Festnetzanschluss aus anzurufen.
Wieder meldete sich nur seine Mailbox, aber sie wusste, dass Jack bei Nummern, die er nicht kannte, aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht ranging.
» Hi, Schatz, ich bin’s. Weil ich hier keinen Handyempfang habe, versuche ich es wieder vom Festnetz aus. Ich probier’s später noch mal. In einer Stunde muss ich am Set sein. Ich hoffe, bei dir ist alles in Ordnung. Bis dann. «
Sie legte auf, wählte Victors Nummer und erreichte ihn diesmal persönlich.
» Wie geht’s, Schätzchen? Ich wollte schon den CIA auf dich ansetzen. «
» Alles in Ordnung. Wir filmen in einem tollen alten Herrenhaus, und weil die Presse hinter mir her ist, lässt der Mann, dem das Anwesen gehört, ein Lord Astbury, mich bei sich im Haus wohnen. Mach dir keine Sorgen, Victor, ich bin hier gut aufgehoben « , versicherte sie ihm.
»Prima. Was steckt hinter deiner angeblichen Verlobung mit Jack? Du hättest mit mir reden sollen, bevor du Ja sagst. «
» Tatsächlich? Findest du nicht, dass es meine Sache ist, wen ich heirate, Victor? « Rebecca trommelte verärgert mit den Fingern auf dem Tisch.
» Du weißt, dass das nicht so gemeint war, Schätzchen « , versuchte Victor sie zu beschwichtigen. » Ich wollte nur sagen, dass es vielleicht einfacher gewesen wäre, wenn du mir Bescheid gegeben hättest. Dann hätten wir eine offizielle Pressemitteilung formulieren können. «
» Offen gestanden hab ich noch nicht mal Ja gesagt. «
» Wie bitte? Machst du Scherze, Rebecca? «
» Nein. « Als Rebecca die Panik in Victors Stimme hörte, hätte sie am liebsten laut gelacht. » Ich hab Jack gesagt, ich brauche Zeit zum Nachdenken. Und die brauche ich tatsächlich. Es ist nicht meine Schuld, dass er es rausposaunt hat, bevor er meine Antwort hatte. «
» Rebecca, die Presse will unbedingt ein Statement von dir. Du kannst jetzt keinen Rückzieher machen, sonst überschütten dich Jacks Fans mit Hassmails und boykottieren deine Filme. «
Rebecca spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte.
» Victor, ich brauche Zeit zum Überlegen, ja? «, erklärte sie mit Nachdruck.
» Bin ich dann bitte der Zweite, dem du deine Entscheidung mitteilst? Ich hoffe, du nimmst seinen Antrag an. Mädel « , fügte er in verschwörerischem Tonfall hinzu, » wenn’s nicht funktioniert, kannst du dich immer noch scheiden lassen. Du befindest dich an einem wichtigen Punkt deiner Karriere und kannst jetzt keine negative Publicity gebrauchen. « Kurzes Schweigen, bevor Victor fortfuhr: » Da ist doch kein anderer, oder? «
» Herrgott, Victor! Natürlich nicht « , herrschte Rebecca ihn an.
» Immerhin etwas. Halt dich mal lieber von diesem jungen britischen Schauspieler fern, der im Film deinen Lover spielt. Er hat einen miserablen Ruf als Frauenheld. «
» Fertig mit der Moralpredigt? « , fragte Rebecca. » Interessiert dich auch, wie die Dreharbeiten heute gelaufen sind? «
» Schätzchen, können wir uns darüber ein andermal unterhalten? Ich muss jetzt zu einem Geschäftsfrühstück. «
» Klar. «
» Gutes Mädchen. Ruf mich später noch mal an, ja? «
» Ja. Tschüs, Victor. «
Rebecca legte auf und betrachtete betrübt die hübschen Satinschuhe an ihren Füßen. Victor meinte es gut mit ihr– er war ein ausgezeichneter Agent und managte ihre Karriere gekonnt. Aber manchmal fühlte sie sich von seinem einnehmenden Wesen fast erdrückt. Sie war weder seine Frau noch seine Tochter.
Rebecca betrachtete die alten Fotos in den Silberrahmen auf Lord Astburys Schreibtisch. Sie beneidete Anthony um die Stabilität einer richtigen Familie mit langer Geschichte. Auf den Schwarz-Weiß-Bildern erkannte sie Anthonys Mutter, die er ihr auf dem Porträt in der Bibliothek gezeigt hatte. Auf einem war sie mit einem hübschen, blond gelockten Mädchen an der Hand zu sehen. Die Ähnlichkeit mit Anthony war auffällig, weswegen Rebecca die
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