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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schreibtisch.
    Seine Augen waren kalt. Vito saß ihm gegenüber auf einem Stuhl.
    Als ich eintrat, wandte er sich zu mir um.
    Ich ging an ihm vorbei zum Schreibtisch. »Sie wollten mich sprechen, Sir?«
    Der Alte nickte. »Sie haben mir nicht alles über sich und Miß Flood erzählt.« Seine Stimme war ebenso eisig wie seine Augen. Ich fühlte Zorn in mir aufsteigen. Das war etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Ich hatte dem Alten alles gesagt, was von Bedeutung war. Er war es, der mich gebeten hatte, die Sache weiterzuführen, als ich aufgeben wollte. Ich bemühte mich, meine Stimme ebenso eisig klingen zu lassen wie seine.
    »Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht.«
    »Ein Frank Millersen sollte genug sein!« brüllte der Alte und schlug mit der Faust auf den Tisch.
    Ich bemühte mich, beim Sprechen die Ruhe zu bewahren, obwohl ich nahe daran war, die Beherrschung zu verlieren. »Ich verstehe noch immer nicht, wovon Sie reden.«
    »Vielleicht wissen Sie auch davon nichts?« fragte der Alte spöttisch und schob mir ein Papier hin.
    Ich nahm es. Es handelte sich um eine Geburtsurkunde. Michelle Keyes. Ich las weiter und fühlte, wie ich bleich wurde. Mutter: Maryam Flood. Vater: Mike Keyes. Ich sah das Datum an und fühlte mein Herz klopfen. Es mußte richtig sein. Es stimmte mit der Zeit überein, in der wir zusammen waren.
    Nun wurde mir vieles klar. Dieser seltsame Blick, mit dem sie mich am Abend zuvor gemustert hatte, als ich sie nach ihrer Tochter fragte. Ich hatte nicht geahnt, daß es mein Kind war.
    Rauh schlug die Stimme des Alten an meine Ohren. »Warum haben Sie mir nichts davon gesagt?«
    Ich sah ihn an und bemühte mich, so ruhig wie möglich zu sprechen. »Wie konnte ich?« fragte ich. »Es ist das erstemal, daß ich davon höre.«
    »Sie erwarten doch wohl nicht von mir, daß ich das glaube, oder?« schnaubte der Alte.
    Endlich verlor ich die Beherrschung. »Es ist mir völlig gleichgültig, was Sie glauben!« brüllte ich.
    »Ist Ihnen klar, daß damit unser Fall erledigt ist?« fragte der Alte. »Es befördert ihn in den Papierkorb!«
    Ich starrte ihn an. Das war der Mann, der sagte, es gebe nur eine Möglichkeit, einen Prozeß zu gewinnen, nämlich sich fest an die Wahrheit zu halten. »Warum sollte das der Fall sein?« fragte ich kühl. »Vito ist es nicht gelungen, auch nur einen einzigen Anklagepunkt zu widerlegen.«
    Seit ich im Büro war, machte Vito zum erstenmal den Mund auf. »Wozu sollte ich mir die Mühe geben?« fragte er. »Welche Geschworenen werden Ihnen Ihre Anklage glauben, wenn sie diese Urkunde da sehen?« fragte er. »Alles deutet darauf hin, daß es sich um ein abgekartetes Spiel, um eine persönliche Rache handelt.«
    Ich blickte auf ihn herab und lachte spöttisch auf. »Ich habe immer gehört, Sie wären ein guter Anwalt, Mr. Vito. Einer der besten. Aber ich habe nicht gewußt, daß zu Ihrem Repertoire auch Erpressung gehört.«
    Vito sprang auf und wollte sich auf mich stürzen. Mit einer Hand stieß ich ihn zurück. Er blieb sitzen und sah mich zornerfüllt an.
    Das Sprechgerät auf dem Schreibtisch des Chefs summte. Er drückte auf die Taste. »Ja?« knurrte er.
    »Miß Flood ist da«, sagte seine Sekretärin.
    »Schicken Sie sie herein«, antwortete der Alte.
    Die Tür öffnete sich, und Marja trat ein. Ihr goldblondes Haar fiel locker herab. Sie trug den gleichen blauen Flauschmantel, den sie während des ganzen Prozesses angehabt hatte.
    Sie beachtete mich nicht und sah nur Vito an. »Was ist los?« Ihre Stimme war belegt.
    Sein Mund unter dem schmalen, elegant gestutzten Schnurrbart verzog sich zu einem dünnen Lächeln. »Ich glaube, der Oberstaatsanwalt wäre bereit, sich mit uns zu einigen.«
    Sie blickte zu mir auf, und ein Leuchten trat in ihre Augen. »Mike, bist du ...?«:
    Scharf unterbrach sie Vitos Stimme.
    »Ich habe vom Oberstaatsanwalt gesprochen und nicht von Ihrem Jugendfreund.«
    Das Leuchten schwand ebenso schnell aus ihren Augen, wie es gekommen war. »Wieso?« fragte sie.
    Schweigend reichte ich ihr die Geburtsurkunde. Sie streifte sie mit einem raschen Blick und sah dann mich an. Tiefer Schmerz lag in ihren Augen. »Wo hast du das her?« fragte sie mit zitternder Stimme. Ich nickte zu Vito hinüber.
    Sie sah ihn an. »Wo haben Sie das her, Vito?«
    Ihre Stimme klang eisig.
    Er lächelte sie an. »Tom hat es mir gebracht.«
    »Warum haben Sie es mir nicht gesagt?«
    »Damit Sie den Prozeß verlieren, nur weil Sie Ihren Freund decken wollen?«

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