Die Mordbeichte
am Fuße der Stufen, lauschte und stieg dann hoch.
Sie hörte abrupt auf und wirbelte herum. »Ist da jemand?«
»Es tut mir leid, wenn ich Sie
gestört habe«, sagte er. »Ich habe Ihnen begeistert
zugehört.«
Sie lächelte zaghaft und schien zu warten.
»Darf ich einen Vorschlag machen?« fragte er.
»Sie spielen Orgel?«
»Früher einmal.«
Er riet ihr, das Trompetenregister drinzulassen, und sie be dankte sich und wandte sich wieder der Orgel zu.
Fallon stieg die Stufen hinunter und
setzte sich in die dun kelste Ecke, die er finden konnte. Sie spielte,
und er saß mit geschlossenen Augen und verschränkten Armen
da. Ja, sie war gut – war es ganz gewiß wert, daß man
ihr zuhörte.
Nach etwa einer halben Stunde
hörte sie zu spielen auf, packte ihre Sachen zusammen und kam die
Stufen herunter. Am Fuß der Treppe blieb sie stehen, wartete,
wahrscheinlich spürend, daß er noch da war, aber er
rührte sich nicht, und so ging sie nach einem Moment in die
Sakristei.
Fallon saß in der Dunkelheit und wartete.
3
Pater da Costa hatte soeben eine
zweite Tasse Tee im Büro des Friedhofverwalters getrunken, als es
an die Tür klopfte und ein junger Polizist eintrat.
»Tut mir leid, Sie noch mal
belästigen zu müssen, Pater, aber Mr. Miller würde gern
mit Ihnen sprechen.«
Pater da Costa stand auf. »Mr. Miller?«
»Kriminal-Superintendent Miller, Sir. Er ist der Chef des
CID.«
Es regnete noch immer stark, als sie
nach draußen kamen. Der Vorhof war vollgestopft mit Polizeiwagen.
Sie schritten den schmalen Pfad entlang. Zwischen den Rhododendron
büschen wimmelte es von Polizisten.
Der Leichnam lag noch an der gleichen
Stelle. Es war jetzt nur teilweise mit einer Plane zugedeckt. Ein Mann
in einem Mantel kniete auf einem Bein und nahm eine Art Voruntersu
chung vor. Er sprach leise in ein tragbares Diktaphon. Neben ihm auf
dem Boden stand eine offene Arzttasche. Auch hier überall
Polizeibeamte, in Uniform und Zivil. Einige stellten sorgfältige
Messungen an, andere suchten den Boden ab.
Der junge Kriminalinspektor, der da
Costas Aussage hatte, wurde Fitzgerald genannt. Er sprach mit einem
großen, dün nen, ziemlich gelehrt aussehenden Mann in einem
Regen mantel. Als er da Costa erblickte, kam er sofort auf ihn zu.
»Da sind Sie ja, Pater! Dies ist Kriminal-Superintendent Miller.«
Miller schüttelte da Costas
Hand. Er hatte ein schmales Gesicht und sanfte braune Augen. Im Moment
sah er sehr müde aus.
»Ein schlechtes Gewerbe, Pater«, sagte er.
»In der Tat«, erwiderte da Costa.
»Wie Sie sehen, sind wir bei
der üblichen Routinearbeit. Professor Lawlor hier gibt seinen
ersten Bericht durch. Heute nachmittag wird er eine Autopsie vornehmen.
Im übrigen scheinen Sie offensichtlich der Schlüssel zu der
ganzen Affäre zu sein. Wenn ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen
dürfte …«
»Ich stehe natürlich zu
Ihrer Verfügung, aber ich kann Ih nen versichern, daß
Inspektor Fitzgerald sehr tüchtig war. Ich glaube nicht, daß
er irgend etwas übersehen hat.«
Fitzgerald machte ein bescheidenes Gesicht, und Miller lä
chelte.
»Pater, ich bin seit nahezu
fünfundzwanzig Jahren Polizist, und wenn ich eines gelernt habe,
so, daß es immer etwas gibt – und gewöhnlich ist es
dieses Etwas, womit man schließlich den Fall löst.«
Professor Lawlor stand auf.
»Ich bin fertig, Nick«,
sagte er. »Du kannst ihn fortschaffen lassen.« Er wandte
sich an da Costa. »Sie haben gesagt – falls ich Fitzgerald
richtig verstanden habe –, daß er auf seinem rechten Bein
am Rande des Grabes kniete.« Er ging zur Stelle. »Etwa
hier?«
»Genau.«
Lawlor wandte sich an Miller.
»Es paßt. Die Einschußwunde ist etwa zweieinhalb
Zentimeter oberhalb des äußeren linken Augenwinkels.«
»Sonst noch etwas Interessantes?« fragte Miller.
»Nicht wirklich. Die
Einschußwunde beträgt 0,6 Zentimeter im Durchmesser. Sehr
geringe Blutung. Keine Pulverrück stände. Keine
Verfärbung. Austrittswunde fünf Zentimeter im Durchmesser.
Explosivtyp. Splitterungen der Schädeldek ke, Risse im rechten
hinteren Gehirnlappen. Die Wunde …«
Er erging sich noch in weiteren medizinischen Terminis, und Miller dankte ihm für seine Ausführungen.
Professor Lawlor wandte sich
lächelnd Pater da Costa zu. »Sie sehen, Pater, die Medizin
hat auch ihren Jargon – genauso wie die Kirche.
Weitere Kostenlose Bücher