Die Mordbeichte
nicht
viel zum Schlafen gekommen. Ein Autohändler hat seiner Frau mit
einem Brotmesser die Kehle durchgeschnitten und dann die Polizei
angerufen. Ein netter, einfacher Job, aber ich mußte trotzdem
persönlich hin. Mord ist wichtig. Gegen neun war ich wieder im
Bett, und dann riefen Sie wegen dieser Kleinigkeit hier an.«
»Sie müssen ein seltsames Leben führen«, sagte da Costa.
»Was sagt Ihre Frau dazu?«
»Nichts. Sie starb letztes Jahr.«
»Das tut mir leid.«
»Mir nicht. Sie hatte
Darmkrebs.« Miller runzelte leicht die Stirn.
»Entschuldigen Sie – ich weiß, Sie betrachten diese
Dinge von einer anderen Seite.«
Pater da Costa erwiderte nichts, denn
es wurde ihm mit plötzlicher Deutlichkeit klar, daß er an
Millers Stelle wahr scheinlich genauso empfunden hätte.
Sie hatten seinen Wagen erreicht,
einen alten grauen MiniCaravan. Miller hielt ihm die Tür auf, und
da Costa stieg ein und lehnte sich aus dem Fenster.
»Sie glauben, daß Sie ihn schnappen, Superintendent? Sie sind zuversichtlich?«
»Ich schnappe ihn,
Pater«, sagte Miller grimmig. »Ich muß ihn schnappen,
wenn ich an den Mann herankommen will, hinter dem ich eigentlich her
bin – den Hintermann, den Mann, der den Auftrag gegeben
hat.«
»Verstehe. Und Sie wissen bereits, wer das ist?«
»Ich würde meine Pension drauf setzen.«
Pater da Costa schaltete die
Zündung ein, und der Motor heulte auf. »Etwas macht mir
Kopfzerbrechen.«
»Was, Pater?«
»Dieser Mann, den Sie suchen,
dieser Killer – wenn er wirklich so ein Professioneller ist, wie
Sie sagen, weshalb hat er mich dann nicht ausgeschaltet?«
»Genau das frage ich mich auch. Bis später, Pater!«
Er trat zurück. Der Pater fuhr los.
Fitzgerald kam um die Ecke. »Das ist ein Mann, wie?«
Miller nickte. »Versuchen Sie
alles über ihn herauszufinden. Alles. Haben Sie verstanden? Ich
erwarte Ihren Bericht um dreiviertel zwei. Sie sind praktizierender
Katholik. Es dürfte also nicht schwer für Sie sein. Versuchen
Sie es erst beim Friedhofsverwalter und dann in der Kathedrale.«
Er hielt ein Streichholz an seine Pfeife.
Fitzgerald fragte: »Aber warum, um Gottes willen?«
»Weil ich nach
fünfundzwanzig Jahren Polizeidasein noch etwas gelernt habe:
niemals irgend etwas oder irgend jeman den nach dem Augenschein zu
beurteilen.«
Miller ging zu seinem Wagen, stieg
ein, nickte dem Fahrer zu, und als sie die Hauptstraße
erreichten, war er bereits ein geschlafen.
4
Anna da Costa spielte im Wohnzimmer
des alten Pfarrhau ses Klavier, als Pater da Costa eintrat. Sie
wirbelte herum und stand auf.
»Onkel Michael, du kommst spät. Was ist passiert?«
Er küßte sie auf die
Wange. »Du wirst es ohnehin bald genug erfahren, also kann ich es
dir auch gleich erzählen. Ein Mann wurde heute morgen auf dem
Friedhof ermordet.«
Sie sah mit leerem Blick zu ihm auf,
die wunderschönen dunklen, nutzlosen Augen auf einer! Punkt
fixiert. »Er mordet?«
Er nahm ihre beiden Hände in
seine. »Ich habe es gesehen, Anna. Ich bin der einzige
Zeuge.« Er begann im Zimmer auf und ab zu schreiten und beschrieb
detalliert, was geschehen war, nicht nur für sie, sondern auch
für sich selbst. »Und er hat mich nicht erschossen, Anna!
Das ist das seltsamste. Ich ver stehe es einfach nicht. Es ergibt
keinen Sinn.«
Sie schauderte. »Oh, Onkel Michael! Es ist ein Wunder, daß du überhaupt hier bist!«
Sie hielt ihm ihre Hände hin,
und er ergriff sie erneut, plötzlich von einem Gefühl der
Zärtlichkeit durchflutet. Ihm wurde bewußt – und das
nicht zum erstenmal –, daß sie das einzige Wesen auf dieser
Welt war, das er wahrhaft liebte; was eine große Sünde war,
denn schließlich sollte die Liebe eines Priesters allen
gehören. Aber sie war nun mal das einzige Kind seines toten
Bruders und seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr eine Waise.
Die Uhr schlug eins, und er
streichelte ihr über den Kopf. »Ich muß gehen. Ich bin
schon spät dran.«
»Ich habe Sandwiches gemacht«, sagte sie. »Sie sind in der Küche.«
»Ich esse sie, wenn ich
zurückkomme. Viel Zeit habe ich auch dann nicht. Ich werde um zwei
Uhr von einem KriminalSuperintendenten namens Miller abgeholt. Er
möchte, daß ich mir ein paar Fotos anschaue, um zu sehen, ob
ich den Mörder wiedererkenne. Falls er früher kommt, biete
ihm eine Tasse Tee oder sonst irgend etwas an.«
Die Tür
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